Baerbock: Müssen für Frauenrechte in Afghanistan kämpfen
15. August 2024Vor genau drei Jahren haben die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernommen - seither schränken sie die Rechte von Frauen und Mädchen rigoros ein. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock spricht von den "massivsten systematischen Verletzungen der Menschenrechte weltweit", die Frauen und Mädchen dort hinnehmen müssten. "Die Hälfte des Landes darf nicht mehr das tun, was zum normalen Leben dazu gehört: Arbeiten, alleine ins Krankenhaus oder Restaurant gehen, singen, sein Gesicht auf der Straße zeigen, als Teenager die Schule besuchen, Frau sein", machte Baerbock deutlich.
Sie versprach: "Wir werden hier nicht nachlassen." Deutschland und seine Partner seien sich darin einig, solange die Taliban internationale Verpflichtungen nicht einhielten, könne es keine Rückkehr in die internationale Gemeinschaft geben.
Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) ist Afghanistan das einzige Land der Welt, das Frauen und Mädchen über zwölf Jahren den Zugang zur Bildung verwehrt. Mindestens 1,4 Millionen Mädchen sind laut den UN seit der Machtübernahme der Taliban vom Besuch einer weiterführenden Schule ausgeschlossen worden. Das sei ein Anstieg von 300.000 seit der letzten Zählung im April 2023, so die UN-Kulturorganisation UNESCO.
Auch der Zugang zur Grundschulbildung sei stark zurückgegangen. Im Jahr 2022 seien 5,7 Millionen Jungen und Mädchen zur Grundschule gegangen. 2019 waren es nach UNESCO-Angaben noch 6,8 Millionen.
In nur drei Jahren hätten die "De-facto-Behörden zwei Jahrzehnte stetiger Fortschritte in der Bildung in Afghanistan fast zunichtegemacht", betonten die UN. "Die Zukunft einer ganzen Generation ist nun in Gefahr."
UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay appellierte eindringlich, die internationale Gemeinschaft müsse sich weiterhin mit aller Kraft für die bedingungslose Wiedereröffnung von Schulen und Universitäten für afghanische Mädchen und Frauen einsetzen.
Forderung: Mehr Bedrohte aus Afghanistan aufnehmen
Verschiedene Organisationen haben die deutsche Regierung dazu aufgerufen, das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan fortzusetzen und noch auszuweiten. Bedrohte afghanische Menschenrechtler dürften nicht ihrem Schicksal überlassen werden, heißt es in einer Stellungnahme der Berliner Organisation "Zentrum Überleben", die mehr als 50 Gruppierungen und Vereine unterzeichnet haben. "Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban sind Menschen in Afghanistan, die sich dort für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, stärker denn je gefährdet."
Über das Aufnahmeprogramm können seit der erneuten Machtergreifung der Taliban besonders gefährdete Menschen nach Deutschland kommen. Die Zukunft des Programms ist allerdings ungewiss. Zwar ist man sich in der Bundesregierung darin einig, dass die etwa 3100 Menschen, die jetzt schon eine Zusage erhalten haben, nach Deutschland einreisen dürfen. Was darüber hinaus noch möglich sein wird, ist noch offen.
Taliban: Scharia-Umsetzung ist lebenslange Verantwortung
Ungeachtet der Mahnungen bekräftigte die Taliban-Führung bei einer Feier zum Jahrestag der Machtergreifung den eingeschlagenen Kurs. Die Umsetzung des islamischen Rechts, der Scharia, "ist unsere lebenslange Verantwortung", sagte Hibatullah Achundsada, der oberste Taliban-Anführer, auf einer Luftwaffenbasis in Kandahar.
Achundsada tritt nur selten in der Öffentlichkeit auf. Seine Rede wurde von Regierungssprecher Sabihullah Mudschahid im Onlinedienst X veröffentlicht. Die Scharia und das islamische System würden "von Tag zu Tag stärker", fügte der Taliban-Chef hinzu.
Nach dem Zusammenbruch der von den USA unterstützten Regierung in Kabul hatten die Taliban am 15. August 2021 die afghanische Hauptstadt zurückerobert. Der Jahrestag wird im afghanischen Kalender einen Tag früher begangen und wurde landesweit mit Militärparaden und Zusammenkünften gefeiert.
Die Taliban hatten nach ihrer Machtergreifung ein sogenanntes islamisches Emirat ausgerufen. Seither setzen sie ihre strenge Auslegung des Islams mit drakonischen Gesetzen durch. International sind die Taliban auch weiterhin isoliert. Kein Staat hat bislang die islamistischen Machthaber als formale Regierung Afghanistans anerkannt.
se/AR (dpa, afp, rtr, ap, kna, epd)