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Bakijews schwieriger Balanceakt

Britta Kleymann14. August 2005

In Kirgisien hat Präsident Kurmanbek Bakijew sein Amt in einer Zeit übernommen, in der Russland, die USA und China um Einfluss in Zentralasien ringen.

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Hat jetzt auch offiziell das Sagen: Kurmanbek BakijewBild: AP

Bakijew hatte das Land bereits seit dem Machtwechsel im März 2005 als Interimspräsident regiert. Der ehemalige Staatsführer Askar Akajew war nach Massenunruhen zurückgetreten. Bei den Wahlen Anfang Juli wurde Bakijew dann mit fast 89 Prozent der Wählerstimmen offiziell zum Präsidenten gewählt. Am 14. August 2005 hat er den Posten offiziell übernommen.

Freies Bildformat: Kirgisien (Kirgisistan): Strassenszene, Collage
Bild: AP/SO

Taktieren zwischen den Großmächten

Kirgisiens neuer Präsident Kurmanbek Bakijew ist angetreten zum Kampf gegen Korruption und Instabilität im Land. Außenpolitisch muss er taktieren zwischen den Großmächten Russland und Amerika. Beide haben Truppen in Kirgisien stationiert.

Während man in Moskau Zentralasien noch immer als traditionellen Einflussbereich sieht, finanzierten die Amerikaner vor dem Machtwechsel die Opposition gegen Alt-Präsident Akajew und setzen auf möglichst demokratische Verhältnisse.

Direkt nach den Wahlen Anfang Juli betonte Bakijew aber auch Kirgisiens Loyalität gegenüber Russland: "Hier hat man die Russen schon immer besonders geliebt. Das wird auch weiterhin so sein. Die Wirtschaft unseres Landes ist eng verbunden mit der russischen Wirtschaft. Wir sind uns im Geist und in der Mentalität sehr nahe."

Genau dazwischen

Demonstrative Einigkeit zeigte man auch beim Gipfel der Schanghaier Gruppe für Zusammenarbeit Anfang Juli. Die Organisation, der neben Russland und Kirgisien auch China sowie die zentralasiatischen Republiken Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan angehören, forderte die USA auf, einen Zeitpunkt für den Abzug ihrer Truppen aus der Region zu nennen, die dort offiziell im Zuge des Afghanistan-Einsatzes stationiert sind.

Wird sich Kirgisien also in Zukunft ganz nach Moskau richten? Nein, meinen Experten wie Arkadij Dubnow vom Carnegie-Zentrum Moskau. Bakijew müsse an ausgewogenen Beziehungen Bischkeks zu Washington interessiert sein. Denn diese könnten zu einer Bedingung für die Fortsetzung der US-Finanzhilfe werden. Eine gleichwertige Hilfe könne Bakijew von Russland nicht erwarten.

Üppige Ausgleichszahlungen

Die USA zahlen jährlich allein rund 50 Millionen Dollar, um den kirgisischen Stützpunkt Manas nutzen zu dürfen. Nach Meinung von Experten dürfte sich diese Summe noch erhöhen. Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war im Juli nach Kirgisien gereist, um über eine weitere Präsenz der US-Truppen zu verhandeln. Nach Gesprächen mit seinem kirgisischen Amtskollegen wurde beschlossen: Die Amerikaner dürfen vorerst bleiben. Was Rumsfeld als Gegenleistung dafür versprochen hat, wurde nicht bekannt.

Ähnlich wie in der Außenpolitik muss die neue Regierung auch im Land selbst in zwei Richtungen taktieren. Bakijew braucht sowohl die Unterstützung des ärmeren, islamisch geprägten Südens, aus dem er selbst stammt, als auch die des wohlhabenderen, stärker industrialisierten Nordens von Kirgisien. Dabei helfen soll ihm ein strategisches Bündnis mit dem ehemaligen Sicherheitschef Feliks Kulow, der aus Nord-Kirgisien stammt. Kulow hatte auf eine eigene Kandidatur bei den Wahlen verzichtet und soll dafür Premierminister werden.

Über stabile Mehrheiten verfügt Bakijew damit noch nicht: Im neuen Parlament werden zwei Drittel der Abgeordneten zu seinen Gegnern zählen. Auffallend ist: Unter den Parlamentariern befindet sich keine einzige Frau.

Keine großen Hoffnungen

Neben drückenden Problemen wie Arbeitslosigkeit, Armut und der ungünstigen wirtschaftlichen Lage dürfte für Bakijew vor allem der Kampf gegen die Korruption im Mittelpunkt stehen - einer der Gründe für die Massenunruhen im vergangenen Frühjahr, die Alt-Präsident Akajew das Amt kosteten.

Trotz aller Wahlversprechen sind die Kirgisien jedoch skeptisch, ob das Politiker-Duo Bakijew-Kulow die angekündigten Veränderungen erreichen kann. Nach Meinung von Raja Kadyrowa, Konfliktforscherin in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, sind diese Zweifel berechtigt. "Auch in der zukünftigen Regierung besteht reale Gefahr, dass die Korruption bleibt. Die mittlere Ebene in der Regierung ist geblieben. Sie ist anfällig für Korruption und hat noch die Mentalität aus der Akajew-Zeit. Außerdem könnte das Volk wieder enttäuscht werden. Durch den Umsturz wurde ja nur die obere Elite ausgetauscht."

Kein Zweifel: Auf Präsident Bakijew wartet ein Berg ungelöster Probleme. Experten hatten schon im Vorfeld vor unhaltbaren Wahlversprechen gewarnt. Das Volk könnte bei wachsender Unzufriedenheit schnell wieder auf die Straße gehen und das Regierungsgebäude belagern, so wie im März. Die Warnung ist durchaus berechtigt: Schon seit drei Monaten demonstrieren derzeit die kirgisischen Eisenbahner. Anfang August erreichten die Protestaktionen ihren Höhepunkt - vor dem Regierungssitz in Bischkek.