Bangen um die Weltkonjunktur
30. Oktober 2012OECD-Generalsekretär Angel Gurria, WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, ILO-Generaldirektor Guy Ryder, IWF-Direktorin Christine Lagarde und Weltbankpräsident Jim Yong Kim – wenn diese Fünf an einem Tisch sitzen, dann geht es um die ganz großen internationalen Linien. Es war die Bundesregierung, die 2007 während der G8-Präsidentschaft und der deutschen EU-Präsidentschaft anregte, dass sich die Chefs der internationalen Finanz- und Wirtschaftsorganisationen regelmäßig mit Regierungschefs treffen sollten, um die Zusammenarbeit besser zu koordinieren. Immer mehr Probleme könnten nur noch gemeinsam gelöst werden.
Aktuell sind es die europäische Schuldenkrise, die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern und die weltweite Konjunktur, die Sorgen bereiten. Laut einer Prognose des IWF wird die Weltwirtschaft 2012 nur um 3,3 Prozent und 2013 nur um 3,6 Prozent wachsen. Die weltwirtschaftlichen Risiken seien evident, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen mit den Chefs der fünf Finanz- und Wirtschaftsorganisationen in Berlin. "Das Wirtschaftswachstum ist nicht so, wie wir uns das wünschen würden." Eine fatale Feststellung, denn für die Bewältigung der europäischen Schuldenkrise ist Wachstum der Schlüsselfaktor.
Lauwarme Stabilisierung
Über die Lage in Griechenland wurde bei dem Gespräch im Kanzleramt nicht explizit gesprochen. Vor allem IWF-Chefin Lagarde und WTO-Generaldirektor Lamy nahmen mit Blick auf die Europäer aber kein Blatt vor den Mund. "Ein gewisses Maß an Stabilisierung wurde wiedergewonnen, das Wachstum ist aber lauwarm und zögerlich", sagte Lagarde. Für die Eurozone komme es darauf an, umfassende Reformmaßnahmen auf den Weg zu bringen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die IWF-Direktorin mahnte ein abgestimmtes Handeln zwischen den Notenbanken an. Es müsse dafür gesorgt werden, dass politische Maßnahmen umgesetzt werden. Die Schuldenstände würden sich in den meisten Industrieländern immer noch auf einem nicht nachhaltigen Niveau bewegen, stellte Lagarde fest. Die Regierungen müssten die Sanierung der Haushalte "in einem vernünftigen Tempo" fortsetzen.
WTO-Chef Lamy betonte, dass das Vertrauen in die Eurozone noch immer nicht zurückgekehrt sei. Es verbleibe eine gewisse Unsicherheit, was die Entschlossenheit der Staats- und Regierungschefs angehe, die Krise zu meistern. Sein Ratschlag für mehr Wachstum in der Welt ist eine Ausweitung des Freihandels. Dem internationalen Handel komme eine wichtige Rolle zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung zu. Das sei für Europa besonders wichtig, denn in den nächsten fünf Jahren würden 90 Prozent des weltweiten Wachstums nicht in Europa generiert. Gerade die Industrieländer sollten daher der Versuchung widerstehen, zu Protektionismus zu greifen, so Lamy. "Mein Vorschlag ist es, Zollverfahren zu vereinfachen und harmonisieren, denn die sind besonders kostspielig."
Freien Welthandel fördern
Die Verbesserung des Freihandels ist ein Thema, bei dem sich auch die Bundeskanzlerin angesprochen fühlt. "Das fällt uns auch schwer und hier kann Deutschland noch eine ganze Menge leisten", sagte sie und führte als Beispiel das Handelsabkommen mit Südkorea an, das die deutsche Automobilbranche vor große Herausforderungen stellt. "Da muss man sich auch einen Schub geben und sagen, ja wir lassen uns auf ein solches Handelsabkommen ein, weil es besser ist, den freien Handel zu fördern."
Jim Yong Kim, der Chef der Weltbank, warnte vor den weiteren Folgen der europäischen Schuldenkrise für die Entwicklungsländer. Diese hätten mit zum Teil schwierigen Reformen in den eigenen Ländern seit 2008 etwa 60 Prozent des globalen Wachstums generiert, seien aber immer noch hohen Risiken ausgesetzt. "Wenn die Wirtschaftslage schwieriger wird, könnten sie bis zu vier Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes verlieren", so Lamy. Erschwert werde die Situation durch die hohen Getreidepreise in Afrika und Nahost als Folge der Dürre in den USA, aber auch anderen Teilen der Welt.
Das Vertrauen in die Europäer fehlt
Angesichts der weltweiten Probleme und Risiken wird der Druck auf die Europäer, ihre Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, immer größer. Sie fühle sich diesen Erwartungen durchaus verpflichtet, sagte die Bundeskanzlerin nach dem Treffen mit den Chefs der internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen. "Wir sollten noch deutlicher sagen, wo geht Europa hin, wo arbeiten wir enger zusammen, wie werden die Prozesse, in denen die 27 Mitgliedsstaaten, aber besondern auch die 17 Eurostaaten miteinander arbeiten, auch wirklich verbessert", so Merkel. Es gehe vor allem auch darum, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.