ESM-Bankenhilfe
21. Juni 2013Eine wichtige Lehre haben die EU-Staaten aus der Krise gezogen: Staaten können sich bei der Rettung angeschlagener Banken finanziell derart übernehmen, dass sie selbst um Hilfe bitten müssen. So geschehen bei Irland und Zypern. Deshalb haben die Staats- und Regierungschefs die Gründung einer Bankenunion beschlossen. Eine gesamteuropäische Aufsicht soll es dafür geben, ein Bankeninsolvenzrecht mit einem Fonds für Abwicklungen, in den die Banken einzahlen, und eine gesamteuropäische Einlagensicherung. Wenn das alles steht, soll auch der Rettungsfonds ESM Banken direkt unter die Arme greifen können. Der französischer Finanzminister Pierre Moscovici legte die Idee bei dem Treffen in Luxemburg noch einmal seinen Amtskollegen ans Herz: "Das sind grundlegende Dinge, um die Finanzkrise endgültig hinter uns zu lassen, die seit 2008 auf Europa lastet." Frankreich drückt aufs Tempo, ebenso Spanien, das sich Unterstützung möglichst sofort für einige seiner überschuldeten Bankhäuser wünscht.
Angst vor Haftung ohne Kontrolle
Doch da fangen die Schwierigkeiten an. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Beispiel sieht gar keine Möglichkeit einer schnellen Hilfe. Solange es keine Vertragsänderung gebe, bleibe man an die gegebenen Verträge gebunden: "Das ist nicht irgendwelche Engstirnigkeit der deutschen Regierung, sondern wir legen eben Verträge strikt aus, und jenseits der Verträge haben wir keine Handlungsmöglichkeiten." Bevor nicht alle Teile der Bankenunion existieren, kann es für Schäuble keine direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM geben. Dahinter steht auch die Furcht der soliden Länder, künftig mit dem Geld ihrer Steuerzahler marode ausländische Banken retten zu müssen, womöglich ohne einen Einfluss auf die Geschäftsführung der Banken zu haben. Niemand sprach diese Bedenken deutlicher aus als die österreichische Finanzministerin Maria Fekter: "Wir brauchen auch die Staaten dazu, dass die Reformen vorangetrieben werden. Ohne Reformen geht es nicht. Es kann sich nicht beispielsweise irgendeine Filialbank Geld beim ESM abholen und weiterwursteln wie bisher."
Strikte Bedingungen
Als Konsequenz aus diesen Befürchtungen haben die Finanzminister jetzt strikte Bedingungen beschlossen. Der ESM soll nur einen kleinen Teil seiner 500 Milliarden Euro, nämlich 60 Milliarden, für die direkte Bankenhilfe verwenden dürfen. Außerdem, so Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, "werden Regeln den finanziellen Beitrag des antragstellenden Landes bestimmen". Das heißt, ohne eine Finanzspritze des Staates, in dem die Bank ihren Sitz hat, kommt keine Bank an Geld aus dem ESM. Auch sollen große Anteilseigner einer verschuldeten Bank für deren Rettung mit herangezogen werden. Kritiker halten diese Bedingungen für so weitgehend, dass die ursprüngliche Idee nutzlos würde. Die Befürworter wollen sich dagegen vor einer Haftung schützen, die in ihren Augen sonst zu leicht in Anspruch genommen wird.
Auch rückwirkend möglich
Inzwischen machen sich auch einige Staaten Hoffnung, sie könnten rückwirkend vom ESM Hilfe für ihre Bankenrettung erhalten. Der irische Finanzminister Michael Noonan klagt, die EZB habe damals eine Beteiligung großer Anteilseigner ausgeschlossen, weil das gängige Meinung gewesen sei. Inzwischen hat sich der Wind in dieser Hinsicht tatsächlich gedreht. Noonan meint: "Wenn die ESM-Regeln, wie sie sich jetzt herausbilden, vor zwei Jahren in Kraft gewesen wären, als wir die Banken rekapitalisierten, hätte der ESM dabei geholfen." Schäuble hält jedoch dagegen: "Ich glaube nicht, dass wir einen großen Spielraum haben, dass wir dann rückwirkend das anwenden können. Die Kapazität des ESM ist eine begrenzte." Allein der Vorschlag wecke nur falsche Erwartungen auf den Märkten und sei "für die Verantwortlichen eine Versuchung, nicht das zu machen, was sie machen müssen. Das ist oft unbequem, aber es muss sein." Allerdings haben die Finanzminister die Möglichkeit einer rückwirkenden Hilfe ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Das soll künftig von Fall zu Fall entschieden werden.
Zyperns Präsident holt sich eine Abfuhr
Eine deutliche Abfuhr holte sich dagegen der zyprische Präsident Nikos Anastasiades mit dem Versuch, die Bedingungen des Hilfsprogramms zu erleichtern. In einem Brief hatte er sich über die einschneidenden Bedingungen beschwert und auf die starke Rezession im Land verwiesen. Ende März hatten die Eurozone, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Kreditpaket für Zypern geschnürt. Zypern musste sich im Gegenzug zu drastischen Reformen und Sparmaßnahmen verpflichten. Die Österreicherin Maria Fekter nannte Anastasiades' Äußerung in ironischem Ton "mutig" und erinnerte ihn daran, dass der Vertrag, "den wir geschlossen haben, durch die nationalen Parlamente, auch durch das Parlament in Zypern gegangen ist". Sie kenne keine bessere Lösung als die gefundene. Und mit dieser Meinung stand sie nicht allein. Das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sieht "keine machbare Alternative dazu, jetzt die Strategie des Hilfsprogramms hundertprozentig umzusetzen". Kurz und deutlich drückte sich auch EU-Währungskommissar Olli Rehn aus: "Wir haben erst kürzlich das Hilfsprogramm für Zypern vereinbart. Und wir werden aufgrund dieses Programms arbeiten." Das scheint gewirkt zu haben. Nach den Worten Dijsselbloems hat die zyprische Regierung zugesagt, das Programm umzusetzen.