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Bauer aus Peru klagt gegen RWE

Gero Rueter mit Agenturen
24. November 2016

Vor dem Landgericht Essen begann heute der Prozess eines peruanischen Bauern gegen RWE. Sein Leben werde von der Gletscherschmelze bedroht und Ursache dafür sei der Klimawandel und der massive CO2-Ausstoß von RWE.

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Deutschland Klage gegen RWE - peruanischer Bauer Saúl Luciano Lliuya
Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Als der Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya aus dem peruanischen Hochland am Donnerstag vor dem Essener Gerichtsgebäude eintrifft, brandet Beifall auf. Eine kleine Gruppe Klimaschützer hat sich vor dem Justizgebäude aufgestellt und hält Transparente in die Höhe. "RWE soll für die Klimaschäden bezahlen", steht auf einem der Schilder.

"Es geht um Gerechtigkeit", sagt  Luciano Lliuya kurz vor Beginn der Gerichtsverhandlung über seine Klage, mit der er RWE wegen der Folgen der Klimaerwärmung für seine Heimatregion in Regress nehmen will. 

Der Prozess gegen den Energiekonzern RWE, dem größten CO2-Emittenten in Europa, wurde am Donnerstag mit großem Interesse verfolgt. Der Kläger Luciano Lliuya wohnt in der Andenstadt Huarez im Westen von Peru.

Seiner Familie und einem großen Teil der Stadt droht durch die klimabedingte Gletscherschmelze oberhalb des Ortes eine verheerende Flutkatastrophe durch einen Dammbruch. Davon könnten bis zu 50.000 Einwohner betroffen sein.

Die Klage wird von der Umweltschutzorganisation Germanwatch unterstützt. Der Pegel des dortigen Bergsees steige und es drohe eine katastrophale Flut im Ort. Das Haus der Familie Luciano Lliuya könne von einer 30 Meter hohen Flutwelle weggerissen werden. "Das ist eine Zeitbombe", sagt seine Anwältin Roda Verheyen.  

"Die großen Verursacher des Klimawandels wie RWE müssen endlich Verantwortung für die Folgen ihrer Emissionen übernehmen", sagt Luciano Lliuya, "Wir in Peru haben kaum etwas zum Klimawandel beigetragen, leben aber mit den schlimmsten Konsequenzen."

Peru Gebirgssee oberhalb der Stadt Huaraz EINSCHRÄNKUNG
Der Gebirgssee oberhalb der Stadt Huarez. Durch Gletscherschmelze und Gletscherrutsch droht eine Flutkatastrophe. Bild: privat

RWE lehnt eine Verantwortung ab

Da RWE mit den Emissionen seiner Kohlekraftwerke etwa 0,5 Prozent des globalen Klimawandels verursacht habe, solle RWE demzufolge auch ein halbes Prozent der notwendigen Schutzmaßnahmen für Luciano Lliuya und den Ort zahlen, so der Kläger.

Der 36-jährige Vater von drei Kindern fordert vor dem Essener Landgericht von RWE, die finanzielle Verantwortung für die Schäden zu übernehmen. Konkret fordert Luciano Lliuya vom Gericht, festzustellen, dass RWE die Kosten für künftige Schutzmaßnahmen tragen muss, und zwar entsprechend ihrem Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß insgesamt. 

Hilfsweise verlangt Luciano Lliuya, dass RWE Schutzmaßnahmen sicherstellt. Die Wassermenge im Gletschersee müsse gesenkt werden, um die Gefahr einer Flutkatastrophe zu verringern. Das erfordere die Zahlung eines Zuschusses von 17.000 Euro an die Gemeinde für Schutzmaßnahmen und 6300 Euro für Selbsthilfemaßnahmen, die Luciano Lliuya am eigenen Haus schon vorgenommen hat. 

Deutschland Klage gegen RWE - peruanischer Bauer Saúl Luciano Lliuya
Saúl Luciano Lliuya mit Anwältin Roda Verheyen beim ersten Prozesstag in Essen gegen den Energiekonzern RWE.Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

RWE weist die Klage als unbegründet zurück. Zum einen gebe es für die Klage keine Rechtsgrundlage. Die angebliche Flutgefahr sei nicht ausreichend dargelegt und es existiere keine lineare Ursachenkette vom CO2-Ausstoß bis zur behaupteten Flutgefahr. 

Darüber hinaus sei der Ausstoß von CO2 auch nicht pflichtwidrig, da RWE über eine Genehmigung nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz verfüge. 

RWE hält die Klage auch für unberechtigt, da der Klimawandel ein globales Problem sei, das auf staatlicher und internationaler Ebene gelöst werden müsse und auch beispielsweise der Flugverkehr und die Landwirtschaft mitverantwortlich seien. Man dafür deshalb nicht einzelnen Unternehmen die Verantwortung zuschieben. 

Der Vorsitzende Richter ließ bei der mündlichen Anhörung nicht erkennen,
in welche Richtung er neigen könnte. Das Landgericht Essen hat angekündigt, am 15.12. eine Entscheidung zu verkünden - entweder einen sogenannten Beweisbeschluss oder ein Urteil. 

Damit ist noch unklar, ob sich erstmals ein deutsches Zivilgericht im Detail mit der Frage beschäftigen wird, ob Mitverursacher des Klimawandels für den Schutz vor Risiken aufkommen müssen, die anderen infolge des globalen Klimawandels entstehen.

Deutschland Kohlekraftwerk Neurath
Wer haftet und zahlt für die weltweiten Schäden? Die Verursacher sehen sich bisher nicht in der Pflicht. Bild: Imago/H.-G. Oed

Aussicht auf Erfolg? 

Das Verfahren ist in Europa einmalig. "Dies ist ein Präzedenzfall, der bei einem Erfolg weltweit weitere Klagen gegen Mitverursacher des Klimawandels nach sich ziehen könnte", sagt Luciano Lliuyas Rechtsanwältin Roda Verheyen. "Um den rechtlichen Anspruch zu belegen, müssen wir dem Gericht im Detail beweisen, dass RWE sehr wohl eine Mitverantwortung trägt für die Gefährdung des Eigentums meines Mandanten – und das werden wir auch tun." 

Der Weltklimarat IPCC führt die Gletscherschmelze in den Anden auf den Klimawandel zurück."Ich hoffe, dass die Richter uns die Chance geben im Detail zu zeigen, mit welchen Gefahren wir wegen der Emissionen von Konzernen wie RWE leben müssen und dass wir Schutz benötigen", ergänzt Luciano Lliuya.

Juristisch ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss. Ähnliche Klima-Klagen sind in der Vergangenheit am Nachweis gescheitert, dass das beklagte Unternehmen tatsächlich konkret für mögliche Schäden verantwortlich sei. 

So wies das US-Supreme-Court 2013 eine Klage der Stadt Kivalina gegen ExxonMobil ab. Der Ölkonzern sollte nach Meinung der Kläger zahlen, weil er für den Meeresspiegel-Anstieg und eine drohende Überflutung mitverantwortlich sei. 

Der David-gegen-Goliath-Kampf des Peruaners fällt nun aber auch in eine Zeit, in der viele Staaten die Nutzung fossiler Energien zunehmend kritisch sehen. Auf der Weltklimakonferenz in Paris vor einem Jahr und in Marrakesch im November waren die Delegierten weitgehend Einig, dass ein globaler Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas anzustreben sei.