1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Beginner sind wieder da

Mikko Stübner-Lankuttis26. August 2016

Sie nennen sich Beginner, dabei prägen sie bereits seit einem Vierteljahrhundert den deutschen HipHop. Nach 13 Jahren Pause veröffentlichten die drei Hamburger jetzt ihr neues Album "Advanced Chemistry".

https://p.dw.com/p/1JpcT
Die Hamburger Rap-Gruppe Beginner 2016 (Promo)
Bild: David Königsmann

Die Erwartungshaltung an das neue Album der Beginner ist riesig. Jan Phillip Eißfeldt, Dennis Lisk und Guido Weiß alias DJ Mad sind selbst schuld: Schließlich haben sie in der Vergangenheit mehrere Rap-Meilensteine fabriziert.

So wie "Bambule" von 1998. Damals zeigten die Hamburger, wie cool die deutsche Sprache klingen kann. Sie kombinierten witzig-freche Reimketten mit fetten HipHop-Beats. Mit der Ballade "Liebes Lied" kreierten sie ihren größten Hit. Und weil sie schlau waren, erklärten sie damals den Fuchs zu ihrem Wappentier.

2003 folgte "Blast Action Heroes", ein rückblickend sehr düsterer Tonträger. Das Album entstand unter dem Eindruck der Anschläge des 11. September und seiner kriegerischen Folgen. Zudem begann die Zeit der illegalen Download-Portale – und beendete die Goldenen Jahrzehnte der Musikindustrie.

13 Jahre sind seit dem letzten Album vergangen. Seitdem hat sich die Musik-Szene komplett verändert: Vorher waren Deutschrapper noch Randerscheinungen in den Charts. Heute sind sie Stammgäste: düstere Typen wie Bushido und Haftbefehl ebenso wie der lebensfrohe Cro oder der melancholische Casper. 2016 haben bislang neun Rap-Acts Platz Eins erreicht.

Die Hamburger Rap-Gruppe Absolute Beginner©Buback
"Ein Haufen cooler Hosenscheißer": Die "Absolute Beginners" haben anfangs auf englisch gerappt (1992)Bild: Buback

Doch die Hamburger waren in den vergangenen Jahren nicht untätig. Dennis alias "Denyo" veröffentlichte drei mäßig erfolgreiche Solo-Alben. Der notorisch-näselnde Jan mauserte sich unter dem Pseudonym Jan Delay mit Funk, Soul und Rock zum Star: Seine drei Alben verkauften sich mehr als 540.000 Mal.

Auf "Advanced Chemistry" schaffen die drei Musiker nun gemeinsam den Spagat zwischen dem rauen Sound der 90er Jahre - der "Goldenen Ära des HipHop" - und verschiedenen heutigen Spielarten wie Trap oder Future Bass. Dazu kommen Anleihen aus Reggae, Dancehall, Funk und Soul. Eine wilde Mischung, möchte man meinen. Doch HipHop-Musik hat sich immer schon aus anderen Stilen bedient. Die aktuelle Netflix-Serie "The Get Down" zeigt, wie die Pioniere im New Yorker Stadtteil Bronx Ende der 70er Jahre mühevoll Disco- und Soulplatten nach passenden Instrumental-Passagen absuchten. Daraus wurde dann bei Block-Partys ein völlig neuer Sound gemixt. Ein "Master of Ceremony" feuerte die Menge mit ein paar knackigen Reimen an.

  • "Ich und meine Gang, wir kommen von den Jams / Freestylen, Hasch rauchen, auf dem Boden pennen / Verdienten keinen Cent, keine Frauen und keine Fans / Aber das ist der Grund, warum das Feuer in uns brennt" - aus "Schelle"

Die Beginner haben ihre Liebe zu den Wurzeln dieser Kultur nie vergessen. 1991 gründeten Jan, Dennis, DJ Mad und vier weitere Rapper die Gruppe "Absolute Beginners", aus denen später die Beginner wurden.

Die Hamburger Rap-Gruppe Beginner 2016 © Nils Müller
Mit ihren deutschen Raps wurden sie erfolgreich (2016)Bild: Nils Müller

Schnell galten die norddeutschen Schüler als Lieblinge der Deutschrap-Szene. In Songs wie "K.E.I.N.E." und "Großdeutsche Haarrasur" wurden bereits Parameter für den späteren Erfolg spürbar: Talent, Attitüde, Experimentierfreude und eine gehörige Portion Hamburger Weltläufigkeit. Wenn die Musiker gesellschaftliche Problemfelder der Gegenwart beackern, dann immer mit so viel Wortwitz, dass sie nicht oberlehrerhaft wirken.

  • "100 virtuelle Freunde, keinen der einen in Arm nimmt / Wir pumpen mit Fotos unsere großen Egos auf / Doch sind innerlich so leer wie ein Schoko-Nikolaus" - aus "Spam"

Dazu beugen sie die deutsche Sprache oft auch mit Hilfe von Anglizismen oder norddeutschem Dialekt. Worte wie "Digga" (Kumpel) oder "derbe" (cool) sind heute selbstverständliche Ausdrücke in der Jugendkultur, auch dank der Beginner. In ihrer ersten Single vom neuen Album heißt es im Refrain:

  • "Was los, Digga, ahnma' / Wie wir gucken, wie wir labern / Jeder sagt 'Digga' heutzutage / Wir packen Hamburg wieder auf die Karte" - aus "Ahnma"

"Ahnma" steht für "Hör mal" oder "Versteh doch". Diesen Part rappt übrigens ein Gastmusiker - der Hamburger Straßenrapper Gzuz. Als das Video vor zwei Monaten auf YouTube veröffentlicht wurde, polarisierte es sofort. Denn neben dem eher unbekannten Gzuz hatten die Beginner noch den populären Kölner Reggae-Sänger Gentleman dazu gebeten. Für viele zunächst eine sperrige und undenkbare Kombination. Doch die Hamburger hatten das richtige Gespür für ihr erstes Lebenszeichen bewiesen: Das Video liegt aktuell bei 14,5 Millionen Abrufen.

Im zweiten vorab veröffentlichten Song "Es war einmal" fassen die Beginner auf knackigem Funk-Beat ihre 25-jährige Bandgeschichte in knapp fünf Minuten zusammen. Das Video ist eine opulente Bilderflut. Und zeigt, wie arriviert das Rap-Trio längst ist. Zahlreiche Prominente tauchen auf: vom Fernsehkoch Tim Mälzer über den Filmemacher Fatih Akin bis hin zu Scooter-Frontmann H.P. Baxxter.

Album-Cover "Advanced Chemistry" der Hamburger Rap-Gruppe Beginner © Universal Music
Das Album-Cover von "Advanced Chemistry"Bild: Universal Music

Musikalisch setzen die Beginner auf eine authentische Gästemischung. Samy Deluxe gilt ohnehin als "vierter Beginner" und auch Dendemann ist ein langjähriger Wegbegleiter. Dazu kommen jüngere Talente wie der Berliner Megaloh und Haftbefehl. Der Frankfurter Gangsta-Rapper nimmt mit seinem Slang-Wortmix derzeit ebenfalls Einfluss auf die deutsche Sprache: Dank ihm wurde 2013 "Babo" (Boss oder Chef) zum Jugendwort des Jahres gewählt.

In ihren Interviews betonen die Hamburger immer wieder, dass Wortwitz und Flow nicht von alleine kommen. Dahinter stecke kontinuierliches Training - immer auf der Suche nach einem noch stärken Sprachbild oder Vergleich.

Ihr neues Album - mit dessen Titel sie sich vor den Heidelberger Deutschrappern "Advanced Chemistry" verbeugen - ist lustig, nachdenklich, experimentierfreudig, reif aber immer noch impulsiv. Die Themen reichen vom Rap-Battle über schöne Frauen bis hin zum Kater nach durchzechten Nächten. Damit zeigen die Beginner in Albumlänge, dass sie es noch immer voll drauf haben, mit ihrer Musik zu überraschen.