Die Flüchtlinge von Jamam
2. April 2012Bis zur Hüfte stehen die Frauen und Kinder im Wasserloch. Es ist fast ausgetrocknet, nur mühsam können sie aus den Pfützen am Boden noch etwas Wasser schöpfen. Die Frauen füllen ihre mitgebrachten Plastikcontainer. Wasserknappheit ist eines der größten Probleme im Flüchtlingslager Jamam im Südsudan. Wer hier lebt, ist aus den Bundesstaaten Blauer Nil und Süd-Kordofan im Nordsudan über die Grenze in den Süden geflohen. Das Lager ist die einzige Hoffnung auf ein Leben ohne Krieg und Hunger.
Macda Doka Waka steht mit den anderen Frauen im Wasserloch und versucht ihren Container zu füllen. Das dauert zwei bis drei Stunden, erzählt sie. Doch das sei immer noch besser, als an der Wasserausgabe zu warten. "Vorher haben wir uns angestellt, um Wasser aus dem Hahn zu holen, aber seit zwei Tagen gibt es kein Wasser mehr. Deshalb sind wir jetzt hierher zum Wasserloch gekommen", erzählt sie. "Zu viele Leute streiten um das Wasser an den Ausgabestellen und deshalb sind wir hier. Wir wollen nicht streiten."
Sechs Liter Wasser pro Tag
Hilfsorganisationen wie Oxfam bohren tiefe Löcher in Jamam. Auf Wasser stoßen die Arbeiter dabei aber nur selten. Manchmal kollabieren die Bohrlöcher, weil die Erde nicht die richtige Beschaffenheit hat. Deshalb bringt Oxfam Wasser in Lastwagen zu Verteilungspunkten. Hier müssen sich die Menschen stundenlang anstellen. Sie bekommen nur wenig, gerade genug um zu Überleben.
Daudi Makamba, Ingenieur für Gesundheitswesen, sagt, dass jeder Flüchtling momentan sechs Liter Wasser bekommt. Das muss als Grundversorgung zum Überleben reichen. "Besser aber wären fünfzehn Liter pro Person und Tag, damit genug zum Trinken, Kochen, Baden und Waschen da ist", erklärt Makamba.
Flucht vor den Bomben
Etwa 37.000 Menschen leben in Jamam. Sie gehören zu den 100.000 Flüchtlingen, die in den Süd-Sudan geflohen sind. In ihrer Heimat kämpfen nordsudanesische Truppen und Rebellen der SPLM-N gegeneinander. Dabei setzt das Militär auch auf Luftangriffe.
Die Bomben-Angriffe halten die Menschen davon ab, ihre Felder zu bestellen. Die Lebensmittel werden knapp. Hilfsorganisationen geben ihr Bestes, um die zuletzt eingetroffenen Flüchtlinge zu versorgen. Dabei befinden sie sich im Wettlauf gegen die Zeit: Sobald die Regenzeit beginnt, werden die Straßen unpassierbar sein. Der einzige Weg, Lebensmittel und andere Güter in die Camps zu bekommen, sind dann Flugzeuge. Doch die sind dreimal so teuer wie Lastwagen.
Wettlauf gegen die Zeit
"Wir beeilen uns, so viele Lebensmittel wie möglich reinzuschaffen", sagt Hy Shelow vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). "Man kann nicht voraussagen, wie das Wetter wird, aber es sieht so aus, als würden wir nicht mehr genug Zeit haben. Wenn der Regen früh und stark einsetzt, werden wir vor einer gewaltigen Herausforderung stehen."
Es gibt noch ein weiteres Problem: Die Vereinten Nationen berechnen die Menge an Lebensmitteln für die Lager anhand der aktuellen Flüchtlingszahlen. Diese liegen bei 1.000 Flüchtlingen pro Woche. Doch UN und die US-Regierung warnen davor, dass noch weitere Tausend Menschen in den kommenden Monaten über die Grenze in den Süd-Sudan kommen könnten, wenn die Lebensmittel in der Konfliktzone zur Neige gehen.
Alte Waffenbrüder
Deshalb erhöhen westliche Staaten nun den Druck auf die Konfliktparteien: Die USA und die britische Regierung forderten beide Seiten auf, die Bombenangriffe zu vermeiden. Nach ihrem Willen soll die Regierung in Khartoum Hilfsorganisationen Zugang zu den umkämpften Gebieten gewähren. Zugleich drängen sie den Südsudan, keine weiteren militärischen Güter an die Rebellen der SPLM-N zu liefern. Die Rebellen und die Regierung des Südsudans stehen sich sehr nahe - einst kämpften beide gemeinsam in dem mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg. Der endete 2005. Nach einer sechsjährigen Friedensperiode wurde der heutige Südsudan schließlich 2011 unabhängig.
Nach der Unabhängigkeit benannten sich die Einheiten der SPLM im Norden um. Sie nennen sich nun SPLM-N und bilden eine politische Partei, die an verschiedenen Wahlen teilnahm. Der Chef der SPLM-N im Bundesstaat Blauer Nil, Malik Agar, wurde sogar zum Gouverneur gewählt. Khartoum verbat daraufhin die SPLM-N und setze Agar im September 2011 Jahres ab.
"Niemand begräbt die Toten"
Sheikh El Rathi Rajab gehörte zur SPLM-N. Er floh, nachdem die Partei verboten wurde, und lebt nun in Jamam. Die Situation sei "sehr schlimm", sagt er. Die Luftwaffe fliege mit Antonowmaschinen täglich Bombenangriffe, töte und verwunde Menschen. Kaum noch jemand könne auf seinen Feldern arbeiten, die Situation sei ernst.
"Es gibt kein Essen und die, die durch die Antonov-Bomber verwundet wurden, können nicht verarztet werden. Es gibt keine medizinische Versorgung", sagt Rajab. "Die Toten werden nicht begraben. Es ist niemand da, der sie begräbt."
Anoor Abudik Said kam mit anderen Dorfbewohnern vor einigen Monaten hier her. Er sagt, dass die Regierung von Präsident Omar al-Bashir die hellhäutigeren Araber bevorzuge und die Luftangriffe nutze, um dunkelhäutigere Menschen wie ihn aus seinem Land zu vertreiben. "Omar sagt, er will keine schwarzen Menschen im Blauen Nil", vermutet er. "Er will uns ausrotten, deshalb bombardiert er uns."