Beiruts neue Minister bleiben nicht lange
20. April 2005Alle haben etwas zurückstecken müssen bei der Regierungsbildung im Libanon: Hatten die Gegner des syrischen Hegemonieanspruchs – sprich: der syrischen Einmischung im Libanon – sich eine zu gleichen Teilen aus Syrien-Anhängern und Syrien-Gegnern zusammengesetzte Regierung der nationalen Einheit gewünscht, so stellt die syrienkritische Opposition jetzt gerade eben ein Drittel der 14 Minister. Und auch Premier Nagib Mikati gilt als pro-syrisch: Der 48-jährige studierte Ökonom ist ein persönlicher Freund von Syriens Präsident Baschar al-Assad.
Kabinett soll neue Wahl vorbereiten
Aber das Kabinett, das Mikati nach langem Ringen und zwei Rücktritten seines ungeliebten Vorgängers Omar Karami vorstellen konnte, ist nur von vorübergehender Dauer und keiner seiner Minister beabsichtigt, bei den geplanten Wahlen zu kandidieren. Es werden also neue Kräfte gefunden werden müssen.
Und das schon recht schnell, denn nach der Verfassung sollte bis spätestens 31. Mai 2005 gewählt werden. Dann nämlich läuft die Kadenz der bisherigen Regierung aus. Und damit auch des temporären Kabinetts Mikati. Hauptaufgabe der neuen Regierung muss es nun aber sein, die Wahlen vorzubereiten. Mikati weiß dies: Die Wahlen sind eine von drei erklärten Prioritäten – neben der Unterstützung der Untersuchung des Mordes an Ex-Premier Rafik Hariri und Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftslage.
Brisant: Einteilung der Wahlbezirke
Nach dem Gesetz müssen Wahlen im Libanon mindestens 30 Tage vorher angekündigt werden. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit und hier könnte neuer Zündstoff verborgen sein. Es müssen nämlich Wahlbezirke definiert werden und hiervon können Erfolg oder Misserfolg der weitgehend nach ethnischen und religiösen Kriterien aufgeteilten Gruppen sehr stark abhängen.
Mikati hat sich vorgenommen, die Wahlen möglichst termingerecht abzuhalten. Mit dem Termin für die Ausschreibung von Wahlen fällt Ende April auch der angekündigte Abzug der letzten verbliebenen syrischen Truppen zusammen: Nach 29 Jahren ist damit die syrische Präsenz im Lande beendet und der Libanon kann einen Neubeginn wagen. Dies umso mehr, als Mikati bereits bekannt gegeben hat, dass einige führende Köpfe der libanesischen Sicherheitsdienste demissionieren werden – auch sie eng liiert mit Damaskus.
Trennung von Staat und Religion
So mag denn die neue Regierung nicht den Träumen der Opposition entsprechen, aber das wird bei keiner Beiruter Regierung der Fall sein: Hierzu müsste der Libanon zunächst seine historisch gewachsene Vermischung von Religion, Nation und Politik überwinden und er müsste sich fremder Einflussnahme entledigen.
Wenigstens letzteres geschieht nun mit dem Abzug der Syrer; ob die Libanesen aber bereit sein werden, von den Kolonialmächten erfundene, dann aber gewachsene Strukturen so einfach abzulegen, muss bezweifelt werden. Denn jeder verspricht sich von diesen Strukturen mehr Zugang zur Macht, obwohl sie nur allzu oft der Schlüssel waren zu Blutvergießen und Chaos.