G20-Verbot: Reporter waren im Kurdengebiet
11. Juli 2017Mindestens vier Journalisten, denen kurzfristig der Zutritt zum G20-Gipfel verweigert wurde, haben nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zuvor aus den Kurdengebieten im Südosten der Türkei berichtet. Laut einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios handelt es sich unter anderen um Fotografen des Bremer "Weser-Kuriers", von "Spiegel Online" und der Fotoagentur action press. Zwei von ihnen seien 2014 von einer Anti-Terror-Einheit in der Kurdenhochburg Diyarbakir und in der syrischen Grenzstadt Kobane festgenommen worden. Demnach kamen die beiden wegen Spionageverdachts festgehaltenen Fotografen erst nach einer Intervention des Auswärtigen Amts frei.
Einflussnahme ausländischer Geheimdienste?
Laut ARD-Bericht nährt dies den Verdacht, dass über den Entzug der Akkreditierungen nach dem Austausch mit ausländischen Nachrichtendiensten entschieden wurde. "Es wäre ungeheuerlich, wenn die Daten über Journalisten an Nachrichtendienste autoritärer Regime übermittelt worden wären", sagte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki drohte mit einem Untersuchungsausschuss. Er zeigte sich besonders besorgt über den Verdacht, dass womöglich Informationen türkischer Sicherheitsbehörden Anlass für die Entscheidungen gewesen sein könnten. "Der schlimme Verdacht, dass Interventionen des türkischen Geheimdienstes zum Entzug von Akkreditierungen beim G20-Gipfel geführt haben sollen, muss schnellstmöglich und umfänglich aufgeklärt werden", forderte Kubicki. Sollte sich der Verdacht nicht ausräumen lassen, behalte man sich vor, das Thema innerhalb eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufklären zu lassen.
Bundespresseamt dementiert
Regierungssprecher Steffen Seibert stellte inzwischen klar, dass die Sicherheitsbedenken ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden resultierten. "Diese Bedenken mussten vom Bundespresseamt ernstgenommen werden und hatten demnach Einfluss auf die bereits erteilten Akkreditierungen. Das Bundespresseamt entschied daher, auf Anraten und in Absprache mit dem Bundeskriminalamt, diesen Personen die Akkreditierung zu entziehen." Tatsächlich sei neun Medienvertretern die Akkreditierung entzogen worden. Die übrigen 23 seien nicht mehr im Pressezentrum erschienen.
Datenschutz-Experten halten den Umgang mit Personendaten der betroffenen Reporter für bedenklich. Dem ARD-Bericht zufolge hatten Bereitschaftspolizisten bei dem Gipfeltreffen am Wochenende in Hamburg Kopien einer Schwarzen Liste mit den Namen von nachträglich gesperrten Journalisten in der Hand, die für Außenstehende einsehbar gewesen und auch auf Drehmaterial der ARD lesbar seien.
Datenschutzbeauftragte wollen Vorgang untersuchen
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sprach in der ARD von "Sperrlisten, die als Handzettel quasi offen einsehbar" kursiert seien und damit einen "diskriminierenden Charakter" gehabt hätten. Die Verantwortlichen seien rechtlich verpflichtet gewesen, Maßnahmen zum Datenschutz zu ergreifen, kritisierte Caspar. Dem Bericht zufolge wollen er und auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, den Vorgang untersuchen.
Das Bundeskriminalamt hatte während des G20-Gipfels darüber informiert, dass im Rahmen der Akkreditierung eine Sicherheitsüberprüfung stattfinde und dass in Absprache mit dem Bundespresseamt in einigen Fällen ein Entzug der Akkreditierung aufgrund von Sicherheitsbedenken stattgefunden habe. Insgesamt waren rund 5100 Journalisten aus aller Welt für den G20-Gipfel in Hamburg akkreditiert.
rk/sti (epd, dpa, ard, deutschlandfunk)