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Politik

Berlin geht auf Distanz zu Hongkong

1. August 2020

Deutschland legt das Auslieferungsabkommen mit Hongkong auf Eis. Damit reagiert die Bundesregierung auf die Einschränkungen der Freiheitsrechte und die verschobene Wahl in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

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Bundesaußenminister Heiko Maas
Bundesaußenminister Heiko Maas (Archiv)Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Die Mitteilung des Bundesaußenministers klang, als sei seine Geduld erschöpft: "Wir haben wiederholt unsere Erwartung klargestellt, dass China seine völkerrechtlichen Verpflichtungen einhält", ließ Heiko Maas verlauten. Dazu gehöre gerade auch das Recht auf freie und faire Wahlen. "Das steht den Menschen in Hongkong zu." Nun setzt auch Deutschland das Auslieferungsabkommen mit Hongkong aus.

Wenige Stunden zuvor hatte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam bekanntgegeben, dass die eigentlich für September geplante Parlamentswahl in der ehemaligen britischen Kronkolonie um ein Jahr verschoben wird. Sie begründet die Verlegung mit einer gestiegenen Anzahl der Corona-Infektionen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion: "Die Pandemie stellt eine ernste Gefahr für Hongkong dar." Für die Verlegung bemühte die Regierungschefin ein fast 100 Jahre altes, nur selten angewandtes Notstandsrecht aus der britischen Kolonialzeit.

China hat die Aussetzung des Auslieferungsabkommens inzwischen scharf kritisiert. In einer Stellungnahme, die die chinesische Botschaft in Berlin verbreitete, werden Deutschland ein "ernster Verstoß gegen internationales Recht" und eine schwere Einmischung in innere Angelegenheiten vorgeworfen. "Wir lehnen das entschieden ab und behalten uns das Recht zu weiteren Reaktionen vor." In der Stellungnahme wurden auch Verärgerung über und Ablehnung der "irrigen Äußerungen" von Außenminister Maas zum Ausdruck gebracht.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam Bild: Reuters/T. Siu

Die Wahl in Hongkong soll jetzt am 5. September 2021 stattfinden. Kritiker sehen darin den Versuch, eine Blamage zu verhindern, da der Unmut über das Regierungslager und das neue Staatssicherheitsgesetz groß ist. Aus Sicht des oppositionellen Abgeordneten Ted Hui macht sich die Regierung mehr Sorgen über eine Niederlage als über die Ausbreitung der Lungenkrankheit.

Widerspruch aus dem Oppositionslager

Aktivisten wie Joshua Wong heben hervor, die Abstimmung könne trotz Corona mit angemessenen Vorsichtsmaßnahmen stattfinden, was andere Länder mit ihren Wahlen gezeigt hätten. Am Vortag hatte das Wahlamt ein Dutzend Aktivisten wie Wong oder auch Mitglieder der oppositionellen Civic Partei von einer Kandidatur ausgeschlossen. Niemand eigne sich zum Abgeordneten, der nicht hinter dem Staatssicherheitsgesetz stehe und der die Selbstbestimmung oder Unabhängigkeit Hongkongs befürworte, argumentierte die Regierung.

China steht wegen seiner Hongkong-Politik international schwer in der Kritik. Das neue Sicherheitsgesetz war Ende Juni verabschiedet worden. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die China als subversiv, separatistisch oder terroristisch ansieht. Auch soll es "heimliche Absprachen" mit Kräften im Ausland bestrafen. Hongkongs demokratische Opposition geht davon aus, dass das Gesetz auf sie abzielt. Befürchtet wird ein Ende des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme", wonach die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 an China autonom und mit Freiheitsrechten verwaltet wird.

Womit kann man China treffen?

Mehrere Staaten haben bereits mit konkreten Maßnahmen auf das Sicherheitsgesetz reagiert, darunter die USA, Kanada und Großbritannien. In der Regel wurden Auslieferungsabkommen mit Hongkong ausgesetzt und für China geltende Waffenembargos auf Hongkong ausgeweitet. Die EU hatte sich Anfang der Woche auf ein gemeinsames Maßnahmenpaket verständigt, bei dem aber jedem Mitgliedstaat selbst überlassen ist, was er davon umsetzt.

Deutschland hat bereits einen Exportstopp für bestimmte Güter verhängt, die zur Überwachung der Bevölkerung genutzt werden können oder von Militär oder Polizei etwa bei Demonstrationen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden können. Außerdem sind erste Schritte für eine Ausweitung von Stipendien für Wissenschaftler oder Studenten aus Hongkong eingeleitet worden. Auch die Visaerteilung soll noch erleichtert werden.

Die Aussetzung des Auslieferungsabkommens gilt aber von allen Maßnahmen als diejenige, die China am ehesten verärgern könnte. So ist etwa der bekannte Aktivist Nathan Law für die chinesische Justiz unerreichbar, weil er nach Großbritannien geflüchtet ist und London sich ebenfalls nicht mehr an den Auslieferungsvertrag gebunden fühlt.

rb/mak/as (afp, ap, dpa, rtr)