Berliner Volksbühne: Quo vadis?
16. Juni 2018Vorsicht Volksbühne!" ist das Motto des zweitägigen Kongresses, in dem es laut der Akademie der Künste darum geht, Erwartungen und Wünsche an eine Volksbühne in der Hauptstadt gerecht zu werden.
Glückloser Nachfolger: Der Fall Chris Dercon
Ein Vierteljahrhundert hatte Frank Castorf die Geschicke des Hauses geleitet, als Provokateur und Revoluzzer Theatergeschichte geschrieben. Doch sein Nachfolger Chris Dercon war nicht einmal ein Jahr im Amt; der Belgier war aufs Heftigste angefeindet worden. Schon bei Dercons Antritt im September 2017 war es zum Eklat gekommen: Aktivisten hatten die Volksbühne besetzt und die Proben behindert. Das Theater am Rosa-Luxemburg-Platz musste von der Polizei geräumt werden. Programmmacher und Publikum rebellierten.
Manche fürchteten ihn als Zerstörer des politischen Ensembletheaters an der Volksbühne, andere warnten vor einer "dem globalen Kultur-Jetset verpflichteten Eventbude" - bis Dercon entnervt hinschmiss. Die international als Aushängeschild für politisch engagiertes, linkes Theater bekannte Volksbühne stand vor einem Scherbenhaufen.
Ein neues Konzept muss her
Derzeit wird die Volksbühne von Klaus Dörr als Interimschef geleitet, der bis Sommer 2020 bleiben soll. Doch wie soll das zukünftige Konzept des Hauses aussehen, ist die Frage, die die Berliner bei dem zweitägigen Kongress umtreibt. Das Theater sei zum Symbol des kulturellen Zusammenwachsens der Stadt geworden, sagte Akademiepräsidentin Jeanine Meerapfel: dies bedeute auch eine Verpflichtung für die Zukunft.
Mehr Offenheit in der Debatte gefordert
Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon, mahnte in der Diskussion um die umkämpfte Bühne mehr Offenheit an. Das traditionsreiche Haus habe eine "wunderbare Truppe", deshalb solle man es als Ensemble- und Repertoiretheater erhalten, so der Intendant des Deutschen Theaters. Allerdings müsse man auch offen sein für andere Bühnenformen wie Tanz oder Performance. "Man sollte das nicht dogmatisch beantworten."
Ahnlich sieht das "Berlins Kultursenator Klaus Lederer: "Wir können jetzt nicht irgendeine Idee nehmen und die den Mitarbeitern überstülpen. Das wird nicht funktionieren", sagte er während der leidenschaftlichen und kontroversen Diskussion beim Symposium in der Berliner Akademie der Künste und pochte auf künstlerische Exzellenz: "Die Volksbühne muss im Kern erstmal eines leisten - hervorragendes Theater spielen."
Die Gräben, so viel ist klar, sind immer noch tief. Vom Theaterkollektiv "Staub zu Glitzer", das die Volksbühne 2017 sechs Tage lang besetzt hatte, kam die Forderung, das Haus für gesellschaftliche Debatten zu nutzen.
Bleibt abzuwarten, wie das Publikum auf die Streitigkeiten um die Volksbühne reagieren wird.
suc/haz (dpa, ap)