Biden schwört G7 auf Konkurrenz mit China ein
12. Juni 2021Nach außen hin bieten die G7, die wichtigsten Industriestaaten der westlichen Welt, und die EU bei ihrem Gipfeltreffen im Seebad Carbis Bay in Cornwall ein harmonisches Bild. Der neue US-Präsident Joe Biden macht endlich wieder normale Gespräche, ja eine Erneuerung der transatlantischen Zusammenarbeit möglich, schwärmen Diplomaten aus vielen Delegationen.
Während die Staats- und Regierungschefs- und -chefinnen in kleiner Runde zusammensitzen oder auf der Strandpromenade flanieren, arbeiten die USA daran, eine härtere Haltung der G7-Staaten gegenüber China durchsetzen, meint ein deutscher Diplomat, der die Verhandlungen in Carbis Bay begleitet. US-Präsident Joe Biden habe Chinas Streben, stärkste Wirtschaftsmacht der Erde zu werden, zur größten Herausforderung für die Demokratien in diesem Jahrhundert erklärt.
Biden müsse hier stark auftrumpfen, um zuhause Kritiker und Trump-Anhänger in Schach zu halten, meint Anthony Gardener, früherer US-Botschafter bei der EU in Brüssel zum G7-Gipfel. Die europäischen Staaten täten gut daran, Biden in diesem Punkt zu folgen, wenn sie eine Rückkehr von Donald Trump in das Präsidentenamt verhindern wollten, lautet die Analyse des ehemaligen US-Diplomaten.
Wie hart gegen China?
Im Prinzip, so heißt es aus der deutschen Delegation, stimme man einem robusten Kurs gegenüber Peking zu. Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren, die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong oder von Dissidenten in China müssten angesprochen und verurteilt werden.
Allerdings, und darauf weist auch die EU in Carbis Bay hin, sei China nicht nur systemischer Rivale und wirtschaftlicher Konkurrent, sondern in manchen Fragen auch notwendiger Partner. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, ohne China lasse sich wirklicher Fortschritt in der Klimapolitik nicht erreichen. Schließlich ist China der größte Emittent von klimaschädlichen Gasen und will erst 2060 klimaneutral wirtschaften. Die EU will dieses Ziel bereits 2050 erreichen.
Während der Diskussionen beim Gipfel kritisierte US-Präsident Biden "sehr stark", so ein US-Diplomat, die Zwangsarbeit in China, besonders in der uigurischen Minderheit. Viele Europäer hätten die Zwangsarbeit ebenfalls verurteilt, seien sich aber nicht einig, wie man reagieren müsse. Sanktionen müssten auch eine Wirkung haben und nicht nur einfach Symbole bleiben, meinte ein EU-Diplomat.
Die USA sehen allerdings stärker als die Europäer, die militärischen Provokationen und Bedrohungen Chinas im südchinesischen Meer. Darüber soll der NATO-Gipfel am kommenden Montag sprechen.
Die USA und die EU haben Sanktionen gegen China wegen der Menschenrechtsverletzungen verhängt. Die EU hatte zuvor allerdings auch ein Handelsabkommen mit China paraffiniert, das von Washington kritisch gesehen wird.
Dieses "Umfassende Investitionsabkommen" (CAI) liegt im Moment auf Eis, weil das EU-Parlament das Abkommen nicht behandeln wird, so lange Peking Sanktionen gegen missliebige Europaparlamentarier aufrecht erhält.
Westliche "Seidenstraße"
Als neues Element in der China-Politik hat sich die Gruppe der sieben wichtigsten Demokratien auf eine "Investitions-Initiative" mit globaler Reichweite geeinigt. Diese "built back better"-Investitionen hatte Präsident Joe Biden vorgeschlagen und war mit der festen Absicht nach Cornwall gekommen, diesen Plan auch durchzusetzen.
Der britische Premierminister Boris Johnson, Gastgeber des Gipfels, lobte den Plan und sieht eine neue atlantische Verbundenheit zwischen Nordamerika und Europa. Wie diese "Investitions-Initiative" genau funktionieren soll, ist allerdings noch unklar.
Klar ist nur, dass sie als eine Art Alternative zu der "Belt and Road"-Initiative, der neuen Seidenstraße der Chinesen, aufgezogen werden soll, heißt es von G7-Diplomaten in Carbis Bay. China hat bereits seit 2013 eine Wirtschaftskooperation mit Dutzenden ärmeren Staaten in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa aufgezogen, in die 3,4 Billionen US-Dollar geflossen sein sollen.
Die Kooperationspartner werden mit billigen Krediten und massiven Investitionen gelockt, die vor allem in den Ausbau von Infrastruktur wie Straßen, Eisenbahnen und Häfen fließen sollen. Durch diese Kooperation versucht Peking auch politischen Einfluss zu erlangen.
Deutschland bangt um Exportmarkt
Fragen nach guter Regierungsführung, Korruptionsvermeidung und Menschenrechten würden bei der Mittelvergabe nicht gestellt, sagen Kritiker der neuen Seidenstraße. Auch 15 EU-Mitgliedsländer, darunter Griechenland, Ungarn oder Italien haben sich Projekten der chinesischen Seidenstraße angeschlossen.
Die neue G7-Alternative zur "Belt and Road" Initiative soll viele Milliarden Dollar und Euro mobilisieren. Woher das Geld aber stammen soll, ist nicht geklärt. Das Weiße Haus gab am Nachmittag zu verstehen, dass auch privates Kapital in einer Art Fonds mobilisiert werden soll. Ein hoher europäischer Diplomat meinte, es gehe wohl auch darum, bereits geplante Investitionsprojekte besser zu koordinieren und bekannt zu machen.
"Es ist ja nicht so, dass die G7-Staaten nicht bereits heute ein sehr großer Investor in der Welt wären", meinte ein G7-Diplomat. Bei der neuen Initiative des Westens soll es nicht nur um Investitionen in Bahnstrecken, Brücken und Straßen gehen, sondern auch um Hilfe zum Aufbau von Produktionsanlagen, zum Beispiel für Impfstoffe, heißt es in den G7-Beschlüssen. Wo und von wem die neue "Investitions-Initiative" gesteuert werden soll, ist noch nicht entschieden. "Über viele Einzelheiten muss man noch weiter sprechen", so ein damit vertrauter EU-Diplomat.
Die EU warnte mehrfach davor, man dürfe nicht nur eine "Anti-China-Koalition" unter Führung der USA schmieden. "Besonders Deutschland ist aus Sicht der USA ein Stolperstein", meint der außenpolitische Experte der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer.
Da Deutschland starke wirtschaftliche Interessen im Exportmarkt China habe, sei die Kanzlerin gegenüber der harten Chinapolitik Bidens eher skeptisch, meint Bütikofer. All das können Angela Merkel und Joe Biden Mitte Juli persönlich länger als beim G7-Gipfel besprechen. Am 15. Juli hat Merkel einen Termin beim Präsidenten in Washington, als erste europäische Spitzenpolitikerin.