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Bidens Klimapolitik: Ein historischer Wendepunkt?

Martin Kuebler | Tim Schauenberg
10. November 2020

Der Einzug Joe Bidens ins Weiße Haus lässt Umweltschützer hoffen, dass die USA jetzt beim Kampf gegen den Klimawandel aufholen und andere mitziehen. Doch einige Beobachter fürchten, dass es schon zu spät sein könnte.

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Die Kuppel des Kapitols in der US Hauptstadt wird in eine Rauchwolke eines Kraftwerks gehüllt
Bild: picture-alliance/J. Lo Scalzo

Als zukünftiger US-Präsident präsentierte Joe Biden in seiner ersten Rede an die Nation eine hoffnungsvolle Vision für die Zukunft des Landes. Der Demokrat betonte, dass die Amerikaner seine Regierung dazu aufforderten, "die Kräfte der Wissenschaft und der Hoffnung für die [Bewältigung der] größten Herausforderungen unserer Zeit zu bündeln." Sie umfassen die Eindämmung der COVID-19-Pandemie, die Steigerung des Wohlstands und "die Rettung des Klimas".

Einen Klimaplan hatte Biden bereits während seines Wahlkampfes angekündigt. Ein Investitionspaket von zwei Billion US-Dollar  soll dem Energiesektor in den nächsten 15 Jahren den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ermöglichen, bis 2050 sollen die USA dann klimaneutral sein.

Biden will außerdem zahlreiche Umweltauflagen aus der Obama-Ära wieder in Kraft setzen, die Präsident Trump mit einer Flut von Exekutivverordnungen aufgehoben hatte. Auch den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 will Biden rückgängig machen, sobald er im Amt ist. 

Bidens Ziele könnten weltweit großen Effekt haben

Umweltexperten sehen die Aussichten der Biden-Präsidentschaft optimistisch. Seine Klimapläne seien "sehr ehrgeizig", erklärt Niklas Höhne vom deutschen NewClimate Institute der DW.

"Der gesamte [US-]Stromsektor soll schon bis 2035 Netto-Null-Emissionen haben. Im Vergleich dazu soll in Deutschland die Kohleenergie noch bis 2038 laufen - und das ist dann noch lange nicht CO2-neutral."

Solaranlage in Ivanpah, Kalifornien
Erneuerbare Energien boomen in den USA, darunter die Solarenergie in Nevada…Bild: Getty Images

Das 2035-Ziel sei auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll, fügt er hinzu. Besonders, weil die US-Wirtschaft derzeit unter dem Coronavirus leide und die Hälfte der US-Bundesstaaten sich mit dem Ausbau erneuerbarer Energien bereits in diese Richtung bewegten. "Ich glaube, das ist etwas, was er wirklich vorantreiben kann", so Höhne.

Erneuerbare Energien werden immer günstiger und in den USA ist der Sektor in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Arbeitgeber geworden. Fast 3,3 Millionen Menschen arbeiteten 2019 laut dem US-Branchenverband E2 im Bereich sauberer Energien. Das sind drei Mal mehr Beschäftigte als in der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie. 

Die Bewältigung der gegenwärtigen Pandemie war ein wichtiger Teil von Bidens Wahlprogramm. Darin hat der designierte Präsident für ein Konjunkturprogramm geworben, das gleichzeitig an den Klimaschutz gekoppelt ist und Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltiger Infrastruktur vorsieht. 

Diese Sektoren könnten nun laut Nigel Green, dem Leiter der globalen Finanzberatungsfirma deVere, von einer Biden-Regierung profitieren.

Achtspurige Autobahn in den USA vor einem Windpark in Kalifornien
… und Windenergie in KalifornienBild: picture-alliance/Design Pics/I. Grant

Doch die Machtverhältnisse in Washington sind noch immer offen. Ob die Demokraten auch im US-Senat eine Mehrheit haben werden, entscheidet sich erst im Januar nach zwei Stichwahlen in Georgia. Und da Millionen Amerikaner immer noch  von der Fracking-, Kohle- und Ölindustrie abhängig sind, werden Bidens Ziele vermutlich auf großen Widerstand stoßen.

"Ich möchte nicht beschönigen, wie schwierig es sein wird, diese Probleme zu lösen, vor allem, wenn der Kongress nicht eingreift und seinen Teil beiträgt", erklärt Rachel Cleetus, Direktorin für Klima- und Energiepolitik bei der Union of Concerned Scientists. 

"Aber immerhin haben wir jetzt wir einen Präsidenten, der gesagt hat, er werde sich tatsächlich für die Lösung dieser Probleme einsetzen, statt einen, der sie unablässig leugnet und alles nur noch schlimmer macht." In einer Analyse listet Cleetus auf, welche Maßnahmen die neue Biden-Administration innerhalb der ersten 100 Tage zuerst umsetzen sollte. Dazu gehört, dass alle Bundesbehörden angewiesen werden sollten, eigene Klimaaktionspläne zu entwickeln. Außerdem sollte das Weiße Hause eine neue Behörde einsetzen, die einen "fairen Übergangsplan für Kohlearbeiter" und deren Gemeinden umsetzten sollte.

Werden die USA die Welt auf Klimakurs bringen?

Die Umsetzung von Bidens Plänen hätte globale Auswirkungen. Das zeigt eine neue Analyse des Climate Action Tracker (CAT), einer Kooperation von Umweltorganisationen, die die Ziele und Maßnahmen von Ländern gegen den Klimawandel beobachten. Die Treibhausgas-Emissionen der USA könnten demnach innerhalb der nächsten 30 Jahre um rund 75 Gigatonnen verringert werden. 

	Infografik CO2 Limit für Klimaziel August 2020 DE

Niklas Höhne vom NewClimate Institute erklärt dass der US-Klimaplan, zusammen mit dem Ziel Chinas, bis 2060 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, "die Welt 25 bis 40 Prozent der Strecke zum Weg zum 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens voranbringen würden".

"Das könnte ein historischer Wendepunkt sein: Mit der Wahl Bidens könnten dann China, die USA, die EU, Japan, Südkorea - zwei Drittel der Weltwirtschaft und über 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen - bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Treibhausgasemissionen erreichen", ergänzt Bill Hare von Climate Analytics.

Der britische Wirtschaftswissenschaftler Nicholas Stern warnt jedoch vor zu viel Optimismus. "Der Sieg Bidens sollte Amerika wieder auf Kurs bringen, eine führende Rolle bei den weltweiten Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel zu spielen", so Stern. Aber selbst wenn die USA dem Pariser Abkommen wieder beitreten und Billionen an Finanzmitteln für den Klimaschutz zur Verfügung stellten, sei es "unwahrscheinlich, dass in den nächsten 10 Jahren weltweit Maßnahmen mit der nötigen Dringlichkeit und in ausreichendem Umfang umgesetzt werden."

Um eine gute Chance zu haben, die Erwärmung bis 2100 auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssten sich noch weitere Länder stärker engagieren.

Joe Biden spricht als desigierter Präsdient in Wilmington USA Klima
Der zukünftige US Präsident Biden braucht für seinen ehrgeizigen Klimaplan die Unterstützung der Abgeordneten im Repräsentantenhaus und des Senats. Bild: Carolyn Kaster/AP Photo/picture alliance

"Die nächsten vier Jahre sind entscheidend. Und mit einem US-Präsidenten im Amt, der die Erderwärmung als existenzielle Bedrohung der Menschheit anerkennt, und wenn wir zusammenarbeiten, haben wir eine Chance, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden", so Stern.

Diese Chance sieht auch Niklas Höhne: Biden könnte "ein wichtiges Signal aussenden. Und in der Politik ist es das Signal, was zählt, selbst wenn man es letztendlich nicht komplett umsetzen kann".

Ein Hoffnungsschimmer

Schon lange vor seiner Amtseinführung im Januar scheint dieses Signal bereits bei führenden Politikern in Europa und weltweit angekommen zu sein. Viele von ihnen gratulierten am Wochenende Biden und der designierten Vizepräsidentin Kamala Harris zu ihrem Wahlsieg.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die EU sei bereit, in wichtigen Fragen wie dem Klimawandel "die Zusammenarbeit zu intensivieren". Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, Berlin und Washington würden "Seite an Seite im Kampf gegen die Erderwärmung und ihre globalen Folgen" stehen.

"Der knappe Sieg Bidens ist ein Hoffnungsschimmer für die Menschen und den Planeten", sagt Jagoda Munic, Direktorin von Friends of the Earth Europe. "Dies könnte die letzte Regierung sein, die einen katastrophalen Zusammenbruch des Klimas verhindern kann - die EU und die USA müssen einen gerechten Anteil am Klimaschutz leisten, den die Erde und die Menschheit brauchen".