Die Wirtschaftspläne des Joe Biden
8. November 2020Vor vier Jahren hatte Donald J. Trump den amerikanischen Arbeitern das Undenkbare versprochen: Die Rückkehr der Jobs im verarbeitenden Gewerbe. Diese Arbeitsplätze waren für beinahe 100 Jahre das Rückgrat des wirtschaftlichen Erfolges der Supermacht USA und sind in den letzten 20 Jahren an Länder wie China und Mexiko verloren gegangen.
Unabhängig von den fragwürdigen Ergebnissen beim Versuch, die heimische Produktion wiederzubeleben, fanden Trumps Protektionismus und seine eingängigen Slogans der Sorte Make America Great Again oder America First bei der Arbeiterschaft großen Anklang.
So war es nicht verwunderlich, dass sein demokratischer Herausforderer im Wahlkampf ebenfalls versprach, Amerikas industrielle Vormachtstellung wiederherzustellen, wenn er das Rennen ums Weiße Haus gewinnen sollte: Es werde wieder mehr Produkte geben, die in Amerika hergestellt worden sind. Nun, da sein Sieg feststeht, muss sich Joe Biden daran machen, seine Versprechen umzusetzen.
Das Arbeitsplatzversprechen
Obwohl der Kampf gegen die Corona-Pandemie in seiner Regierung oberste Priorität genießen würde - wie Biden in seiner ersten Ansprache als gewählter Präsident klar machte - wird er die "Kauft amerikanisch!"-Kampagne ausweiten, um die heimische Produktion zu unterstützen und so Millionen neuer Jobs zu schaffen, darunter eine Million in der Autoindustrie. Aber ohne eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie könne man die Wirtschaft nicht reparieren.
Zu den wirtschaftspolitischen Plänen des "President-Elect" gehört auch eine Zehn-Prozent-Steuer für Firmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. So sollen außerdem Schlupflöcher geschlossen werden, mit deren Hilfe international agierende US-Firmen ihre im Ausland erzielten Gewinne am Internal Revenue Service (IRS), also an der Steuer vorbei verbuchen. Projekte, die die heimische Produktion stärken, würden im Gegenzug von einer zehnprozentigen Steuerentlastung profitieren.
Mark Zandi, Chef-Ökonom bei der Ratingagentur Moody's, sagte der DW, dass dieser "Zuckerbrot und Peitsche"-Aspekt in Bidens Plan durchaus einen Einfluss darauf haben könnte, wo amerikanische Firmen ihre Produktion ansiedeln. Aber dazu, fügt Zandi einschränkend hinzu, müssten die Demokraten nicht nur das Weiße Haus erobern: "Wenn der Senat unter republikanischer Kontrolle bleibt, würde es Biden sehr schwer fallen, Gesetzesvorhaben umzusetzen. Das gilt auch für das 'Made in America'-Vorhaben."
Alles nicht wirklich überzeugend
Andere Ökonomen halten Bidens wirtschaftliche Versprechen für genauso zweifelhaft wie die von Trump. Denn schließlich verlagern international agierende Firmen ihre Produktion oft deshalb ins Ausland, um besser von immer noch neuen Märkten wie etwa China oder Brasilien profitieren zu können.
"Ein sehr hoher Anteil von US-Produktionen in anderen Ländern ist für die Märkte oder die Regionen vorgesehen, in denen die Fabriken stehen", merkt Ökonom Ed Lotterman an. "Davon wird nur sehr wenig jemals in die USA zurückkehren." Der DW sagte Lotterman, wenn es gelänge, eine Firma von einem Umzug nach Iowa oder Illinois zu überzeugen, dass dann bestimmt ein Rivale den so freiwerdenden Platz auf einem Übersee-Standort einnehmen werde.
Sehr tiefe Taschen
Obwohl er als Senator des Bundesstaates Delaware noch vor den Gefahren eines ausufernden Staatsdefizit gewarnt hatte, plant Biden nun, das Bundesdefizit weiter zu vergrößern, das derzeit bei bei etwa 3,3 Billionen US-Dollar (2,82 Billionen Euro) liegt. Er plant ein Ausgabepaket im Wert von 5,4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren.
Bidens Versprechen, den Klimawandel bekämpfen, den Zugang zu einer Krankenversicherung erleichtern, für erschwinglichen Wohnraum sorgen und sich dem Kampf gegen die gesellschaftliche Ungleichheit widmen zu wollen, stoßen auf große Zustimmung bei fortschrittlichen US-Bürgern.
Laut seinem Webauftritt (joebiden.com) würden Investitionen in die Infrastruktur helfen, Vollbeschäftigung zu erreichen. Der größte Teil der staatlichen Ausgaben solle in die Bildung fließen.
Zeitenwende in der Steuerpolitik
Umfangreiche Steuererhöhungen, größtenteils für die Besserverdienenden, sollen die Steuererleichterungen der vergangenen vier Jahre in Höhe von 1,5 Billionen Dollar ausgleichen und Zweidrittel seiner geplanten Ausgaben finanzieren. Für den Ausgleich des verbleibenden Drittels könnte die gegenwärtige Geldpolitik der Zentralbank sorgen, vermuten Analysten.
"Es wird höhere Haushaltsdefizite geben", so Zandi zur DW, "aber das ist ökonomisch kein großes Problem, weil die Zinsen so niedrig sind und es auch für einige Zeit noch sein werden." Andere Analysten weisen dagegen auf eine drastische Erhöhung der Kapitalertragssteuer hin: Die könnte zu einem gewaltigen Ausverkauf an den Aktienmärkten führen.
Handel als Hochseilakt
Biden würde unter dem Druck stehen, viel von der aggressiven Handelspolitik Donald Trumps wieder zurückzunehmen, die den Verbindungen mit den wichtigsten Verbündeten, namentlich Mexiko und die EU, geschadet haben. Handelsexperten weisen jedoch darauf hin, dass ihm durch sein Versprechen des 'Made in America'-Plans die Hände gebunden sein könnten. Zölle müssten daher weiter erhoben werden, auch wenn sie für viele Importeure eine hohe Belastung darstellen.
"Biden würde weiterhin Druck auf die Chinesen ausüben. Aber er würde sich dabei an internationale Handelsgesetze halten und keinen Handelskrieg vom Zaun brechen", sagt Mark Zandi voraus. "Er wird wieder mit der Welthandelsorganisation (WTO) und anderen multinationalen Vereinigungen zusammenarbeiten, um so Druck auf Peking auszuüben, damit China sein Verhalten ändert."
Adaptiert aus dem Englischen von Dirk Kaufmann. Der Artikel wurde am 29.10.2020 erstmals veröffentlicht und am 8.11.2020 aktualisiert.