Zukunft der Bundeswehr
7. November 2011Die nordfriesische Gemeinde Seeth liegt inmitten einer idyllischen Landschaft in der schleswig-holsteinischen Provinz. Knapp 700 Menschen leben dort, ebensoviele Soldaten und Zivilbeschäftigte arbeiten in der ansässigen Stapelholmer Kaserne. Noch, denn schon in wenigen Jahren soll der Standort geschlossen werden. Die Stapelholmer Kaserne ist einer von mehr als 30 Standorten der Bundeswehr, die auf der Streichliste von Verteidigungsminister Thomas de Maiziere stehen.
Für die Region ist die Botschaft ein Schock: Familien könnten jetzt wegziehen, Geschäfte und handwerkliche Betriebe schließen, die bisher immer von der Kaufkraft der Soldaten profitiert hatten. Selbst Kindergärten und Schulen müssen jetzt umdenken. Und was mit dem Kasernengelände passieren soll, steht noch in den Sternen. Die Reform der Bundeswehr geht tiefer, als auf den ersten Blick zu erkennen ist.
Umzingelt von Freunden
Neben den Kasernen, die komplett geschlossen werden, sollen weitere 90 Standorte drastisch verkleinert werden. Die Bundesländer Bayern und Schleswig-Holstein sind besonders stark betroffen. So werden auch die renommierte Offiziersschule der Luftwaffe im bayerischen Fürstenfeldbruck und das Flottenkommando der Marine in Glücksburg von der militärischen Landkarte gestrichen, die Aufgaben an andere Orte verlagert. Bis 2017 soll die neue Struktur stehen.
"Jede Schließung und jede Verringerung ist schmerzlich", so Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Teilweise gebe es tiefe Eingriffe in militärische Traditionslinien. Dennoch sei dieser Reformschritt unvermeidlich. "Die Bundeswehr ist nicht um der Standorte willen da, sondern die Bundeswehr ist dafür da, ihren Auftrag gut und sparsam zu erfüllen."
Der Auftrag hat sich in den vergangenen Jahrzehnten allerdings geändert: Deutschland ist umzingelt von Freunden, die Landesverteidigung steht deshalb nicht mehr an der Spitze der konkreten Aufgaben. André Wüstner vom Bundeswehrverband meint, dass die Bundeswehr jetzt mehr denn je in eine reine Interventionsarmee umgebaut werde. Gleichzeitig warnt er mit Blick auf die aktuellen Einsätze auf drei Kontinenten und auf hoher See: "Wir fahren im roten Bereich und an der Grenze zum Burn-Out der Streitkräfte. Die Bundeswehr wird umstrukturiert und im wesentlichen kleiner. Aber ob sie dadurch leistungsfähiger wird, kann man erst in einigen Jahren erkennen."
Internationale Lösungen?
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fordert eine "intelligente Verteidigung." Beim Geld ausgeben sei es der bessere Weg, "wenn viele Staaten kooperieren, statt einzelner nationaler Lösungen." Davon ist die Bundeswehr aber noch weit entfernt. Der Bundeswehrverband bemängelt, dass die Euro-Länder sich beim Umbau ihrer Armeen zu wenig miteinander abstimmen.
In einem Zeitraum von 20 Jahren, so glaubt Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik, könne die Bundeswehr durchaus eine Armee sein, "die kleinere nationale Anteile in ein großes Ganzes einspeist. Eine Armee, die alleine weder in der Lage noch Willens ist, eine einzige große Operation zu führen."
Finanzielle Zwänge werden laut Mölling zu mehr internationaler Kooperation führen. Damit die Bundeswehr dabei ihre Verpflichtungen auch erfüllen kann, muss sie in den kommenden Jahren ihre Strukturen weiter verändern. André Wüstner vom Bundeswehrverband sieht den Schlüssel dazu in der Anwerbung von gutem Personal, das die modernen Herausforderungen an eine Armee in Zukunft meistern kann. Dazu gehörten auch mehr Transparenz, gesetzlich festgelegte Dienstzeiten und vieles mehr. 185.000 Soldaten wird Deutschland in einigen Jahren noch haben. Um ihre Aufgaben dann lösen zu können, muss die Bundeswehr Wüstner zufolge attraktiver werden: "Sonst ist die Reform zum Scheitern verurteilt."
Autor: Klaus Jansen
Redaktion: Nils Naumann