Billigfliegers Rechnung zahlt das Klima
17. September 2003"Fliegen zum Taxipreis" – mit diesem Slogan wirbt die deutsche Billigfluglinie Hapag-LloydExpress. Ab 19,99 Euro kann man von Deutschland nach Mailand, Manchester oder Madrid fliegen. Und das nicht nur mit Hapag-LloydExpress: Billiglinien wie Ryanair, Germanwings oder JetBlue Airways erlebten in den vergangenen Jahren in Europa und den USA einen beispiellosen Boom. Was die Urlaubskasse der Reisenden schont, schadet aber unserem Weltklima.
Umweltpolitiker der rot-grünen Koalition in Berlin haben am Wochenende (13./14.9.2003) Billigfluglinien vorgeworfen, mit Dumpingpreisen die Passagierzahlen zu Lasten des Klimas in die Höhe zu treiben. SPD-Bundesvorstandsmitglied Hermann Scheer sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", mit den Dumpingpreisen müsse "schleunigst Schluss" sein. Es sei "klimapolitisch pervers", dass ein Flug nach New York billiger sei als eine Bahnfahrt von Hamburg nach München. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, nannte die Dumpingpreise ökologisch gesehen einen "Skandal".
"Das Problem im Flugverkehr ist vor allem das Wachstum: Wir haben seit Jahrzehnten hohe Wachstumsraten von fünf bis sieben Prozent weltweit und es ist überhaupt keine Sättigung in Sicht", sagt Manfred Treber, Klimaexperte der Nord-Süd-Initiative Germanwatch. Er sieht für das Klima schwarz: "Derzeit fliegen etwa sieben Prozent der weltweiten Bevölkerung und daran sieht man deutlich, dass noch viel mehr fliegen können. Und selbst die sieben Prozent, die fliegen, können noch viel mehr fliegen."
"Volkssport Billigfliegen"
Tatsächlich wächst der weltweite Flugverkehr seit Jahrzehnten kontinuierlich, nur kurz unterbrochen von Krisen wie dem Irak-Krieg oder der Lungenepidemie SARS. Während sich früher auf Grund der hohen Flugpreise nur wenige ein Ticket leisten konnten, ist das Fliegen spätestens mit dem Boom der Billigflieger für weite Bevölkerungsschichten erschwinglich geworden. "Volkssport Billigfliegen" titelte unlängst eine deutsche Boulevardzeitung.
Ein ziemlich bedrohlicher Volkssport: Zwar braucht ein moderner Airbus pro Passagier nur etwa so viel Treibstoff wie ein Auto auf der gleichen Strecke, aber Fliegen ist in punkto Klima nicht gleich Fahren, sagt Hartmut Graßl, Leiter des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und einer der anerkanntesten deutschen Klimaforscher: "Die Emission von Wasserdampf und Partikeln in den Höhen, in denen die Flugzeuge fliegen, ist klimarelevanter als am Boden." Dies gelte zwar nicht für das wichtigste Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), aber Wasserdampf und Partikel sorgten dafür, dass Flugzeuge viel klimaschädlicher sind als Auto, Bus oder Bahn.
Manfred Treber von Germanwatch erklärt die Gründe: "Bei dem Verbrennungsprozess des Kerosins entsteht auch Wasserdampf. Wir sehen das oft als Kondensstreifen am Horizont." Diese Kondensstreifen reflektieren Wärmestrahlen zur Erde zurück. "Derzeit sagt der wissenschaftliche Stand, dass die Erwärmungswirkung des CO2 bei Flugzeugen mal drei genommen werden muss, um die Erwärmungswirkung des Flugzeugs zu beziffern", betont Manfred Treber.
Ergebnis: Wer von Berlin nach Mallorca fliegt, also etwa 2000 Kilometer zurücklegt, der schadet dem Klima so stark wie ein Autofahrer, der 6000 Kilometer weit fährt. Mit dem Zug könnte man sogar etwa 18.000 Kilometer zurücklegen.
"Wir können solange in die Sonne fliegen, bis uns der Klimawandel den Strand nach Hause bringt", so die düstere Zukunftsvision von Monika Lege von der Umweltschutzorganisation Robin Wood. "Oder wir tun jetzt etwas und steigen auf klimafreundliche Verkehrsmittel um."
Keine Steuern, aber hohe Subventionen
Doch wie bekommt man die Menschen dazu, mehr Bahn zu fahren und weniger zu fliegen? Manfred Treber setzt auf den Preis als Überzeugungsgrund: "Wir wollen kostenwahre Preise." Dafür müssten aber erst einmal Subventionen abgebaut werden. Außerdem fordert Germanwatch eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträgern: "Es ist ja weiterhin so, dass Kerosin nicht besteuert ist und dass Flüge nicht Mehrwertsteuer belastet sind", erklärt Treber.
Alleine auf der Strecke Frankfurt–Berlin, das hat Bahnchef Hartmut Mehdorn ausgerechnet, muss die Deutsche Bahn 21 Euro Steuern mehr pro Fahrgast berappen als die Fluggesellschaften. Dazu profitieren die Airlines von weiteren Subventionen: Der Staat finanziert den Bau von Flughäfen, defizitäre Fluggesellschaften werden sowohl in den USA als auch in Europa mit milliardenschweren Zuschüssen in der Luft gehalten. Für die Subventionitis stehen Namen wie United Airlines, Swissair oder Olympic Airways.
Keine Klimabremse beim Flugzeug in Sicht
Obwohl das Flugzeug weltweit bald das Auto als schlimmsten Klimaschädiger im Verkehrsbereich überholen wird, gibt es international bisher keinerlei Regelung zum Klimaschutz im Flugbereich. Das Kyoto-Protokoll sieht hier keine Sparziele vor. Daran wird sich voraussichtlich auch bis 2013 nichts ändern. Denn erst dann soll das Kyoto-Protokoll in seine zweite Phase gehen und überarbeitet werden.
Umweltgruppen hoffen allerdings darauf, dass vorher die EU dem Klimakiller Flugzeug wenigstens auf europäischer Ebene etwas Einhalt gebietet.