Blinken und Lawrow beenden Gespräch vorzeitig
21. Januar 2022In Genf ist US-Außenminister Antony Blinken mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zusammengekommen, um nach Auswegen aus der Ukraine-Krise zu suchen. Das auf zwei Stunden angesetzte Treffen endete bereits eine halbe Stunde früher als geplant. Im Anschluss gaben beide Politiker getrennt ein Statement ab und stellten sich den Fragen der Reporter.
Lawrow nannte das Gespräch "offen und nützlich". Beide Seiten seien sich über die Notwendigkeit eines "vernünftigen Dialogs" einig. Zugleich wiederholte er bekannte Positionen Russlands. So warf Lawrow der NATO abermals vor, gegen sein Land zu arbeiten. Die Regierung in Moskau sei besorgt über die Entsendung von Waffen und Militärberatern in die Ukraine. Russland hege keine Angriffspläne gegen die Ukraine und habe das ukrainische Volk niemals bedroht, versicherte der Chefdiplomat aus Moskau.
Schriftliche Antwort in der nächsten Woche
Mit Blinken habe er vereinbart, dass Russland in der kommenden Woche von den USA eine schriftliche Antwort auf die geforderten Sicherheitsgarantien erhalte, sagte Lawrow. Danach solle es weitere Gespräche auf Ebene der Außenminister geben.
Russland sieht sich von der NATO in seiner Sicherheit bedroht und fordert unter anderem ein Ende der Osterweiterung des Bündnisses.
Ansichten ausgetauscht
Auch der amerikanische Außenminister bewertete das Treffen mit Lawrow als "offen und hilfreich". Das Gespräch sei ein Austausch von Ansichten gewesen, man habe nicht verhandelt. Beide Seiten hätten nun ein besseres Verständnis der Position des jeweils anderen.
Gleichzeitig bekräftigte Blinken, er habe deutlich gemacht, dass es sich "um eine erneute Invasion handelt, wenn sich irgendwelche russischen Streitkräfte über die Grenze der Ukraine bewegen". Darauf würden die Vereinigten Staaten und ihre Partner und Verbündeten schnell, hart und mit vereinten Kräften reagieren.
"Es gibt ein hohes Risiko"
Vor dem Treffen in Genf hatte Blinken vor einer weiteren Eskalation des Konflikts gewarnt. Auf die Frage, wie groß er das Risiko eines russischen Einmarschs in das Nachbarland einschätze, antwortete er im ZDF: "Es ist ein reales Risiko, und es ist ein hohes Risiko."
"Immer wieder die Hand ausgestreckt"
Der Chefdiplomat der Vereinigten Staaten erklärte mit Blick auf den russischen Forderungskatalog: "Wir haben bereits ein Entgegenkommen gezeigt - nicht nur in den vergangenen Wochen, sondern über viele Jahre hinweg." Die NATO habe "immer wieder die Hand ausgestreckt". Unglücklicherweise sei dies "zurückgewiesen worden".
Die britische Außenministerin Liz Truss warnte Russland derweil vor der Gefahr eines langanhaltenden Krieges. Ein Einmarsch in die Ukraine werde in eine "schreckliche Falle" mit tödlichen Folgen führen, "wie wir es von der sowjetischen Intervention in Afghanistan und dem Konflikt in Tschetschenien kennen".
"Wenn sie es müssen, werden die Ukrainer kämpfen"
Obgleich das russische Militär in einem solchen Fall die Oberhand hätte, drohten auch Moskaus Armee herbe Verluste, sagte Truss im australischen Sidney. "Wenn sie es müssen, werden die Ukrainer kämpfen, um ihr Land zu verteidigen." Die Ministerin warnte Kreml-Chef Wladimir Putin davor, einen "massiven strategischen Fehler" zu begehen. Großbritannien sei bereit, massive Sanktionen zu verhängen.
Der britische Regierungschef Boris Johnson hatte am Donnerstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz telefoniert. Ein Regierungssprecher in Berlin erklärte, beide seien sich darüber einig, dass eine weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine abgewendet werden müsse. Im Falle einer militärischen Intervention müsse Russland mit "erheblichen und schwerwiegenden Kosten" rechnen.
Risse im Bündnis
Der Westen droht Moskau seit Wochen mit harten Strafmaßnahmen, sollte die russische Armee die Ukraine angreifen. Allerdings zeigen sich innerhalb der NATO-Staaten Risse. So verlangen die USA eine klare Positionierung Deutschlands mit Blick auf ein mögliches Aus der Gaspipeline Nord Stream 2. Bundeskanzler Scholz hat sich zu diesem Thema jedoch nur verhalten geäußert.
Deutschland deckt einen erheblichen Teil seines Gasbedarfs mit Lieferungen aus Russland. Nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wäre ein Ausweichen auf Flüssiggas aus den Vereinigten Staaten möglich - allerdings zu einem beträchtlich höheren Preis.
Die USA und ihre westlichen Verbündeten verlangen einen Rückzug der an der ukrainischen Grenze zusammengezogenen 100.000 russischen Soldaten ins Hinterland.
jj/sti/se/qu (phoenix, dpa, afp, rtr)