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Anschläge erschweren Regierungsbildung

23. August 2014

Auge um Auge: Nach dem tödlichen Anschlag auf eine sunnitische Moschee im Irak ist es anscheinend zu Racheakten gekommen. Zwei Selbstmordattentäter töteten in Bagdad und bei der Stadt Tikrit zusammen 17 Menschen.

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Iraks Parlamentspräsident Salim al-Dschaburi (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP

In der irakischen Hauptstadt Bagdad starben nach Angaben von Polizei und Rettungskräften mindestens acht Menschen, als der Attentäter mit einem Fahrzeug in ein Geheimdienstgebäude raste. Der zweite Täter benutzte einen Militärgeländewagen vom Typ Humvee, der mit Sprengstoff beladen war. Ziel war eine Gruppe von Soldaten und schiitischen Milizionären. Bei diesem Anschlag kamen neun Menschen ums Leben.

In der kurdischen Öl-Stadt Kirkuk 250 Kilometer nördlich von Bagdad starben Sicherheitskreisen zufolge 18 Menschen bei drei Bombenanschlägen. Diese galten offenbar kurdischen Kämpfern. In der Kurdenhauptstadt Erbil im Norden des Irak kam es ebenfalls zu einer Bombenexplosion. Ein lokaler TV-Sender berichtete, es habe mehrere Verletzte gegeben.

Am Freitag hatten Bewaffnete in der ostirakischen Provinz Dijala in einer sunnitischen Moschee mindestens 70 Gläubige erschossen. Mehrere Offiziere machen die radikalsunnitische Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) verantwortlich, doch die meisten Berichte geben schiitischen Milizen die Schuld. Der Gewaltakt verschärft die Spannungen zwischen den Religionsgruppen. Die Terrorgruppe IS hat weite Teile des Nordiraks unter ihre Kontrolle gebracht. Dort sind rund 1,2 Millionen Menschen vor den IS-Kämpfern auf der Flucht. Die Gewalt der IS richtet sich vor allem gegen religiöse Minderheiten wie Jesiden und Christen. Die Truppen der Zentralregierung und der autonomen Kurdenregion erhalten inzwischen für den Kampf gegen die Dschihadisten internationale Hilfe.

Spannungen abbauen

Info-Grafik zu Irak (DW)

Nach dem Überfall auf die Moschee bemüht sich die irakische Führung, die Spannungen zwischen den Volksgruppen zu entschärfen. Der sunnitische Parlamentspräsident Salim al-Dschuburi (Artikelbild) rief ebenso wie der designierte schiitische Regierungschef Haidar al-Abadi die Bevölkerung zum Zusammenhalt auf. Al-Dschuburi sagte im Fernsehen, das Hauptziel des Feuerüberfalls sei gewesen, die Bemühungen zur Bildung einer Regierung zu torpedieren. "Alle politischen Gruppen haben das Verbrechen verurteilt und ihre Wut über die Geschehnisse geäußert", sagte er. Al-Abadi verurteilte den Angriff und rief die Bürger auf, "die Reihen zu schließen, um den Feinden des Irak, die Unfrieden schaffen wollen, keine Chance zu geben".

Auch das US-Außenministerium verurteilte die "abscheuliche" Attacke. Sie unterstreiche die Notwendigkeit, dass Politiker des gesamten politischen Spektrums gegen "gewalttätige extremistische Gruppen" zusammenstehen müssten, hieß es. US-Vizepräsident Joe Biden sicherte Bagdad zudem weitere Unterstützung im Kampf gegen den IS zu. Er sprach sich in einem Beitrag für die "Washington Post" für ein föderalistisches System aus, um der Spaltung des Landes zu begegnen.

Bundestag debattiert am 1. September

In Berlin beschloss der Bundestag inzwischen, dass die Abgeordneten am 1. September über die geplanten deutschen Waffenlieferungen in den Nordirak debattieren werden. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen hätten dazu eine Sondersitzung vereinbart, teilte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, am Samstag in Berlin mit. Kanzlerin Angela Merkel will bei der Plenarsitzung eine Regierungserklärung abgeben.

Die Bundesregierung hatte sich am Mittwoch grundsätzlich bereiterklärt, die Kurden im Kampf gegen den IS im Nordirak mit Waffen zu unterstützen. Die USA schicken bereits Waffen, in Europa sind auch Großbritannien, Frankreich und Italien bereit dazu. Das Verteidigungsministerium in Berlin prüft derzeit, was genau geliefert werden kann. Nach dem Beschluss hatten Abgeordnete aller Fraktionen eine Bundestags-Sondersitzung gefordert.

Restrisiko bleibt

Merkel räumte ein, dass sie nicht ausschließen könne, dass die deutschen Waffen, die in den Irak gehen sollen, in die falschen Hände geraten könnten. "Ich will nicht so tun, als bestehe dieses Risiko überhaupt nicht", sagte sie der Chemnitzer "Freien Presse". Die Bundesregierung sei angesichts der Brutalität, mit der der IS Christen, Jesiden und auch Muslime verfolge, zu dem Schluss gekommen, eine Grundsatzentscheidung für begrenzte Waffenlieferungen zu treffen, sagte Merkel. Eine Beteiligung der Bundeswehr an den Kämpfen schloss sie aber aus.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete den Entschluss der Bundesregierung als einen tiefen Einschnitt in der deutschen Außenpolitik. Er sagte vor einer Klausurtagung der SPD-Spitze, die Regierung fühle sich weiter einer Politik der militärischen Zurückhaltung verpflichtet. Es handele sich aber um eine Sondersituation, in der abgewogen werden müsse, ob man bereit sei hinzunehmen, dass sich die IS-Miliz in der gesamten Region verbreite. Deutschland müsse lernen, mit Widersprüchen, Risiken und Dilemmata umzugehen, die eine verlässliche Außenpolitik in einer Welt der Unordnung zwangsläufig mit sich bringe.

kle/mak (afp, rtr, epd, dpa)