Neue Kämpfe im Ostkongo
23. Juli 2013Der Bruderstreit hat sie geschwächt - und trotzdem kämpfen sie wieder: Noch im Frühjahr hatten sich die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) untereinander einen blutigen Machtkampf geliefert. Jetzt bekämpfen sie im Osten der Demokratischen Republik Kongo vor der Stadt Goma wieder die kongolesische Regierungsarmee. Seit vergangener Woche sollen bei den Auseinandersetzungen laut Nachrichtenagentur AFP (Agence France-Presse) mindestens 130 Menschen ums Leben gekommen sein.
Die kongolesische Armee galt bislang als schwach und chaotisch, war aber in den vergangenen Monaten massiv aufgerüstet worden. Die Zentralregierung in Kinshasa versorgte außerdem verschiedene Milizen der Region mit Waffen. Sie sollen nun ebenfalls die Rebellen zurückdrängen. Unter diesen Verbündeten befindet sich offenbar auch die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die sich aus Angehörigen der Volksgruppe der Hutu zusammensetzt und Verantwortliche für den Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 in ihrer Führungsriege haben soll.
Neu gewonnene Stärke nach internen Machtkämpfen
Im November vergangenen Jahres hatten die Rebellen der M23 die Provinzhauptstadt Goma an der Grenze zu Ruanda eingenommen. Beinahe mühelos hatten sie die kongolesische Armee vertrieben, die die Millionenstadt Goma ohne größeren Widerstand verließ. Ende Februar entbrannte dann ein interner Machtkampf innerhalb der M23. Grund war ein Streit zwischen dem militärischen Anführer Sultani Makenga und dem politischen Anführer Jean-Marie Runiga über das Verhältnis der M23 zu dem mächtigen ruandisch-stämmigen Ex-General Bosco Ntaganda (der sich inzwischen dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt hat).
Letztlich ging es darum, wer Einfluss auf die M23 hat. Runiga steht Ntaganda nahe, Makenga dagegen steht Ntaganda feindlich gegenüber. Er setzte Runiga kurzerhand ab und übernahm selbst das Amt des politischen Anführers. Runiga floh daraufhin mit rund 800 Anhängern nach Ruanda. Sowohl auf Seiten Makengas als auch unter den Anhängern Runigas kamen bei dem Machtkampf Rebellen ums Leben.
"Das Waffenarsenal, das die M23 in Goma vergangenes Jahr erbeutet hatte, ist von der Spaltung unberührt geblieben. Schwere Waffen sind heute reichlich vorhanden, das reicht für ein paar Jahre", erklärt Martin Doevenspeck, Professor für Konfliktforschung an der Universität Bayreuth, die wieder gewonnene Schlagkraft nach der internen Spaltung. Außerdem sei die Führungsstruktur innerhalb der M23 gestrafft worden. "Das macht es leichter, die einzelnen Truppenteile zu koordinieren", so Doevenspeck.
M23 hat neue Mitglieder rekrutiert
Nicht nur die Regierung hat in der Region aufgerüstet, auch die M23-Rebellen sollen Milizen rekrutiert haben - offenbar zum Teil unter Zwang. Die Truppenstärke schätzt Doevenspeck jetzt auf zwischen 1500 und 2500 Aufständische. "Die M23 rekrutiert in den Flüchtlingslagern in Ruanda und in Uganda, also in den Lagern der kongolesischen Tutsi." In den Flüchtlingslagern in Ruanda leben kongolesische Tutsi, die nach dem Völkermord 1994 in Ruanda den Kongo verlassen hatten, weil sie dort von Hutu-Milizen verfolgt worden waren. "Sie wollen wieder zurück in den Kongo, das ist eine ganz klare Motivation, sich den M23-Rebellen anzuschließen", sagt Wissenschaftler Doevenspeck.
Die Verantwortung für den Ausbruch der blutigen Kämpfe schieben sich Rebellen und kongolesische Armee gegenseitig zu. "Sechs Monate lang haben wir die Regierung in Kinshasa gebeten, einen Waffenstillstand zu unterschreiben. Aber die Regierung hat sich geweigert, weil sie Krieg gegen uns führen will", sagt der Präsident der M23, Bertrand Bisimwa, im Gespräch mit der DW. Bisimwa wurde nach dem internen Machtkampf von Sultani Makenga zum Präsidenten ernannt. Seit Monaten verhandeln M23 und kongolesische Regierung in der ugandischen Hauptstadt Kampala über ein Waffenstillstandsabkommen - jedoch ohne Ergebnis. Die Rebellen fordern, dass sie zunächst gemeinsam mit der kongolesischen Armee feindliche Milizen bekämpfen. Nach fünf Jahren wollen die Rebellen der M23 dann in die reguläre Armee integriert werden. Außerdem weichen sie von früheren Maximalforderungen - wie dem Rücktritt von Staatschef Joseph Kabila und Neuwahlen - ab. "Bei den Verhandlungen in Kampala bewegt sich allerdings nichts, die aktuelle Situation ist also eine Konsequenz aus der Verhandlungsblockade der Regierung", so Bisimwa.
Einsatz der UN-Eingreiftruppe
Die kongolesische Regierung sieht das anders. Sie lehnt die gemeinsame Bekämpfung von Milizen ab und will alle M23-Rebellen niedrigerer Dienstgrade sofort in die kongolesische Armee integrieren. Über den Beitritt höherrangiger Befehlshaber will sie dagegen von Fall zu Fall entscheiden. Und sie macht die Nachbarländer Ruanda und Uganda für die neuen Kämpfe verantwortlich. So beschuldigt sie vor allem Ruanda, die M23-Rebellen direkt zu unterstützen. "Wir wissen, dass Ruanda Chaos schaffen will, um den Einsatz der Eingreiftruppe der Vereinten Nationen zu verhindern", sagt Lambert Mende, Regierungssprecher in Kinshasa, der DW.
In den vergangenen Wochen war eine Brigade von rund 3000 schwer bewaffneten Blauhelmsoldaten der UN-Mission im Kongo (MONUSCO) in die Region entsandt worden. Sie soll die bereits dort stationierten 17.000 UN-Soldaten verstärken und die Rebellen zurückdrängen. Sie ist aber derzeit noch nicht einsatzbereit. Vorgesehen ist außerdem der Einsatz von Aufklärungsdrohnen. "Die M23 haben ein großes Interesse daran, die Situation eskalieren zu lassen. Der Zeitpunkt ist günstig, um Fakten zu schaffen, bevor die Eingreiftruppe voll einsatzbereit ist", so Martin Doevenspeck. Dass die M23, wie im vergangenen November auch, die Stadt Goma einnehmen könnte, glaubt er nicht, weil sie gleichzeitig das von ihr kontrollierte Gebiet nördlich von Goma verteidigen müsse.
"Die Verhandlungen in Kampala stecken fest, und man hat den Eindruck, dass es keine diplomatische Lösung für diesen Konflikt mehr geben wird", sagt Thierry Vircoulon, Experte für Zentralafrika bei der International Crisis Group. Nun werde der Streit wohl mit Waffen entschieden.