1989 in Rumänien
22. Dezember 2009
Der Funke der Revolution sprang mitten im Dezember über: In Timisoara, nahe der ungarischen Grenze gelegen, eskalierten ethnische Spannungen; Lászlo Tokés, regimekritischer protestantischer Pastor ungarischen Ursprungs, sollte abgeschoben werden. Immer mehr Demonstranten gingen auf die Straße, um Tokés zu verteidigen, Sicherheitskräfte versuchten den Aufstand gewaltsam niederzuschlagen. Dies war das Ende für Rumäniens langjährigen Herrscher Nicolae Ceausescu.
Volksaufstand mit Folgen
21. Dezember 1989: Rumäniens Präsident Nicolae Ceausescu hält auf einer gut besuchten Kundgebung in Bukarest eine Rede. Im Vorfeld hatten die Behörden zehntausende Menschen ins Stadtzentrum geschafft, um der Veranstaltung den Anschein zu verleihen, dass sie vom Volk gewollt sei – und dass das Volk hinter seinem Führer stehe. Doch plötzlich geschieht das Unerwartete.
Auf einmal ändert sich die Atmosphäre. Ein beispielloser Aufruhr beginnt – der Platz ist erfüllt von Buhrufen, Geraune und Gezische. Fernsehkameras, die die Rede live übertragen, zeigen plötzlich nur noch den Himmel – doch vorher können die Zuschauer einen Blick auf die völlige Fassungslosigkeit in Ceausescus Gesicht erhaschen. Kurzfristig wird die Ordnung wiederhergestellt, der Präsident fährt mit seiner Rede fort – aber die Menschen bleiben unruhig.
Nicolae und seine Frau Elena - jahrelang mit einem beispiellosen Personenkult verbunden - suchen Schutz in einem Gebäude. Am nächsten Tag flüchten sie mit dem Helikopter aus der Hauptstadt. Die Erkenntnis hatte nun auch den Diktator erreicht: Das Volk stand nicht mehr hinter ihm.
Waffengewalt schützt Regime
Ceausescus Regime in Rumänien war möglicherweise das repressivste in Osteuropa – unterstützt von der gefürchteten Staatspolizei Securitate. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich ging es Rumänien schlechter als den meisten Sowjetblock-Staaten. Drastische Kürzungen von Energie und Essensvorräten gingen einher mit bombastischen Bauplänen und einer allumfassenden Überwachung. Eine offene Opposition zum Regime gab es so gut wie gar nicht. Die wenigen Widerstände, die es gab, waren niedergeschlagen worden. Ceausescu hielt sich für unbesiegbar – obwohl eine Welle antikommunistischer Bewegungen durch den Sowjetblock rollte.
Aber im Dezember 1989 war auch mit Waffengewalt der Erhalt der Macht nicht mehr zu retten: Die Armee wendete sich gegen Ceausescu. In einer ersten freien Sendung des staatlichen Fernsehens TVR zeigte sich der Dichter und Widerstandskämpfer Mircea Dinescu zuversichtlich, dass die Opposition Erfolg haben werde. „In diesem Moment hat sich Gott Rumänien zugewendet. Das Militär in Bukarest ist auf unserer Seite, der Diktator ist geflohen. Die Menschen sind mit uns: Wir haben gewonnen“, so seine Worte.
Blitzverfahren in Bukarest
Nicolae und Elena wurden gefasst und am ersten Weihnachtsfeiertag angeklagt, tausende Menschen vor und während der Revolution getötet zu haben. Der Staatsanwalt plädierte auf Völkermord – Ceausescu habe sein Volk verhungern und erfrieren lassen. Zudem sei die Seele der Nation unterdrückt worden.
Ceausescu stritt vor Gericht jede Schuld ab: „Es ist eine Lüge, dass ich Menschen zum Verhungern gebracht habe. Eine unverschämte Lüge. Das zeigt nur, wie in den letzten Tagen Verrat den Patriotismus ersetzt hat.“
Die 90-Minuten-Show endete mit einer Verurteilung Ceausescus zum Tode – mit sofortiger Wirkung.
Auf dem Weg in die Demokratie
Die Exekution wurde im nationalen Fernsehprogramm übertragen. Als die Wachen die Todesschüsse einstellten, wurden sie aufgefordert, die patronendurchsiebten Körper hochzuhalten, so dass jeder sehen könne, dass Nicolae und Elena wirklich tot seien. Aktivistin Daniela Draghici erinnert sich an diesen Tag: „Ich sah die leblosen Körper im Fernsehen und ich sah die Szene immer und immer wieder. Es war, als könnten wir nicht genug davon kriegen, das wirklich zu sehen und sicher zu sein, dass es passierte und sie wirklich tot waren.“
Anders als in anderen osteuropäischen Staaten gab es in Rumänien keine Anhänger der Opposition, die nach vorne traten, um die Macht zu übernehmen. So gelang es der Front zur nationalem Rettung (FSN) – geführt von Ion Iliescu, einem Ziehsohn Ceausescus, bevor er bei ihm in Ungnade fiel – die Regierung zu bilden. Dennoch hat sich Rumänien zu einer Demokratie gewandelt; im Jahr 2007 wurde das Land Mitglied der Europäischen Union.
Autorin: Sabina Casagrande
Redaktion: Mareike Röwekamp