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PolitikAfrika

Neue Chefin im Entwicklungsministerium (BMZ)

16. Dezember 2021

Mit Svenja Schulze steht eine erfahrene Klimapolitikerin an der Spitze der deutschen Entwicklungspolitik. Doch auch sie wird wohl hart ringen müssen, um genug Mittel für den Kampf gegen Hunger und Armut zu erhalten.

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Deutschland Neue Regierung Svenja Schulze
Svenja Schulze bei ihrer Vereidigung als Entwicklungsministerin im BundestagBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Prioritäten der neuen Chefin dürften im Entwicklungsministerium (BMZ) niemanden überrascht haben. Als Svenja Schulze ihre neuen Mitarbeitenden dort vergangene Woche per Videoschalte begrüßte, betonte die Ministerin die Klimakrise als besondere Herausforderung. "Diese und der damit einhergehende Strukturwandel ist eine Priorität der gesamten Regierung und natürlich aus langer Tradition auch des BMZ", sagte Schulze. Diesen Bereich werde sie fortentwickeln und stärken.

Bis zum Regierungswechsel hatte Schulze das Umweltministerium geleitet. Sie brachte das Klimaschutzpaket auf den Weg, das Deutschland bis 2045 klimaneutral machen soll. Als Umweltministerin vertrat sie Deutschland zudem auf Welt-Klimagipfeln. Diese internationale Erfahrung will sie nun für die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden nutzen. Deutschland ist dabei nach den USA weltweit zweitgrößtes Geberland, Schulze verfügt über einen Etat von mehr als 12 Milliarden Euro.

Weiter ein Platz am Kabinettstisch

"Ich freue mich, dass nun wieder eine Frau an der Spitze des Entwicklungsministeriums steht", sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul, die wie Schulze der sozialdemokratischen SPD angehört. Sie war von 1998 bis 2009 deutsche Entwicklungsministerin - solange wie niemand zuvor oder seitdem. Heute berät sie als Mitglied im Rat für Nachhaltigkeit die Bundesregierung.

Es sei wichtig, dass das Entwicklungsministerium als eigenständiges Ministerium erhalten geblieben sei, betont Wieczorek-Zeul im DW-Interview: "Denn es hat ja immer wieder Pläne gegeben, das Entwicklungsministerium dem Auswärtigen Amt zuzuordnen, wie das in Großbritannien der Fall ist. Und das wäre ganz verhängnisvoll gewesen."

Deutschland Heidemarie Wieczorek-Zeul
Setzte als Ministerin einen Schuldenerlass für arme Länder durch: Heidemarie Wieczorek-ZeulBild: Michael Debets/Pacific Press/picture alliance

Doch wenn Schulze am Kabinettstisch von Kanzler Olaf Scholz vor allem dem internationalen Klimaschutz Gehör verschaffen will - vernachlässigt sie dann die Bekämpfung von Armut in Entwicklungsländern?

"Das sehe ich nicht", sagt Wieczorek-Zeul: "Ein Großteil der Diskussionen für die Zukunft wird sich um die Frage drehen, wie man durch den Klimawandel entstehende Schäden und Verluste in Entwicklungsländern ausgleicht. Das ist eine zutiefst entwicklungspolitische Aufgabe, bei der es um Armutsbekämpfung geht."

Jahrzehnte Verspätung beim 0,7-Prozent-Ziel

Bei der Begrüßung ihrer neuen Mitarbeitenden hat Schulze denn auch nicht nur die Klimakrise erwähnt, sondern daneben Hunger, Armut, Flucht und Migration. Dies seien globale Mega-Herausforderungen, die man mit noch mehr Verve angehen müsse: "Es muss unser aller Bestreben sein, für alle Menschen auf der Welt ein gutes Leben zu ermöglichen. Das klingt vielleicht pathetisch, aber das ist unser Anspruch."

UK | G7 Außenministertreffen in Liverpool
Erste Auslandsreise im neuen Amt: Svenja Schulze (2.v.l.) beim Treffen der G7 in Liverpool am 12. DezemberBild: Olivier Douliery/AP Photo/picture alliance

Um das zu erreichen, will die Regierung aus SPD, Grünen und FDP laut Koalitionsvertrag sicherstellen, dass mindestens 0,7 Prozent des deutschen Bruttonationaleinkommens - das von allen Bewohnern Deutschlands erwirtschaftete Einkommen - für Entwicklungshilfe aufgewendet werden. Schon für das Jahr 1975 hatten die Vereinten Nationen den reichen Ländern der Erde diese Zielmarke gesetzt. Deutschland hat sie im vergangenen Jahr erreicht. Dabei soll es laut neuer Regierung auch bleiben.

Wucht und Energie

"Dieses Bekenntnis haben wir schon oft lesen können und es ist dann in der Realität trotzdem ganz anders gekommen", sagt Martina Schaub. Sie ist neu gewählte Vorstandsvorsitzende von VENRO, dem Dachverband von 140 privaten und kirchlichen Entwicklungsorganisationen in Deutschland. "Deshalb werden wir ganz massiv darauf drängen, dass das eingehalten wird," betont Schaub im Interview

mit der DW.

Arbeiter an Solarmodul in Marokko
Deutschland will Klimaschutz weltweit fördern: hier ein Solarmodul in MarokkoBild: KfW-Bildarchiv

Schaub spricht davon, dass Schulze Aufbruchstimmung verbreite. Bei der VENRO-Mitgliederversammlung am Dienstag dieser Woche habe die neue Ministerin "mehr Wucht" für die deutsche Entwicklungspolitik angekündigt. "Man hat in ihrer Zeit als Umweltministerin gemerkt, dass sie sich Gehör verschaffen kann", sagt Schaub: "Und sie hat durchaus Dinge durchsetzen können. Wir erwarten jetzt natürlich, dass sie das mit der gleichen Energie im BMZ tut."

Rückschläge durch COVID-19

Doch schon jetzt ist absehbar, dass das Ringen um Budgets am Kabinettstisch in den nächsten Jahren härter werden dürfte. Angesichts der Corona-Pandemie hat der Bund allein für dieses Jahr 240 Milliarden Euro neuer Schulden aufgenommen.

"Die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit ist immer ein Kampf", sagt dazu Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es wird darauf ankommen, dass ausreichende Haushaltsmittel für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen."

Der Bedarf sei groß, sagt die SPD-Politikerin, COVID-19 und die Auswirkungen der Pandemie hätten in den Entwicklungsländern viele Rückschläge bei anderen Herausforderungen verursacht. "Etwa, was HIV/Aids angeht. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen mit dazu beitragen, dass die Gesundheitssysteme in den Partnerländern gestärkt werden", fordert Wieczorek-Zeul: "Das ist eine originäre Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit."

Wer leitet den Entwicklungs-Ausschuss?

Heikel könnte in der gerade begonnenen Legislaturperiode werden, dass die rechtspopulistische AfD im Bundestag Anspruch auf den Vorsitz im Entwicklungs-Ausschuss erheben kann. Denn sie lehnt die bisherige Entwicklungszusammenarbeit ab, setzt auf Selbsthilfe der ärmeren Länder und die Durchsetzung deutscher Interessen in der Welt.

Afghanistan | Straßenszene in Kundus
Fehlgeleitet? Diese Straße in Kabul wurde mit deutscher Hilfe gebautBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

So sieht es etwa Dietmar Friedhoff, den die AfD als Kandidaten für den Ausschuss-Vorsitz nominierte. Er fiel bei der Wahl allerdings durch - ein Bruch mit bisherigen Gepflogenheiten im Bundestag. Nun könnte die AfD versuchen, einen neuen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Bis dahin leitet das dienstälteste Mitglied, Thomas Rachel von der CDU, den Ausschuss, der Gesetzesentwürfe berät, Expertinnen anhört und Entwicklungsprojekte vor Ort besucht.

Leitlinie für Entwicklungspolitik gefragt

"Wir würden es natürlich unerträglich finden, wenn sich das in die Ausschussarbeit festsetzt, womit die AfD sonst so arbeitet", sagt Martina Schaub von VENRO: "Misstrauen säen, Vorurteile stärken, Fakten ignorieren, all so etwas. Warten wir es ab."

Martina Schaub, Vorstand Venro, OroVerde, Bonn
Leitet hauptamtlich die Tropenwaldstiftung OroVerde: die VENRO-Vorsitzende Martina Schaub Bild: Matzke/OroVerde

Egal, wie es im Ringen um den Ausschuss-Vorsitz weitergeht: Schaub hofft, dass die neue Regierung bald eine Leitidee ihrer Entwicklungspolitik entwirft. Denn - bei aller Aufbruchstimmung, sagt sie: "Eine Leitidee können wir noch nicht erkennen. Da ist noch Luft nach oben."

Geht es nach Schaub, dann sollte diese Leitidee heißen: Alle politischen Entscheidungen werden entlang der globalen Nachhaltigkeitsziele getroffen - sei es beim Klimaschutz, dem Erhalt der Artenvielfalt oder der Bekämpfung von Hunger, Krankheit und Armut.