Bodenschutz in Äthiopien
5. Dezember 2015"Dass wir nicht auf Wasser und Luft verzichten können, ist uns allen bewusst", sagt Johannes Schoeneberger von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). "Aber ohne Böden gibt es keine Nahrungsmittel. Deswegen ist der Bodenschutz so enorm wichtig." Schoeneberger arbeitet in Äthiopien. Dort sei das Bodenbewusstsein stärker ausgeprägt als in Europa, "weil die Menschen das Problem der Bodendegradierung täglich vor Augen haben."
Seit ungefähr 8000 Jahren wird in Äthiopien Ackerbau betrieben. Noch heute leben 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Trotzdem reichen die von ihnen produzierten Nahrungsmittel nicht zur Ernährung des Volkes. Das Land ist auf Hilfe angewiesen. Die Ursachen sind Dürren, Überschwemmungen als Folgen von Entwaldung und Erosion. "Die Böden werden durch Wasser und Wind abgetragen und schließlich weggeschwemmt", beschreibt Schoeneberger die Lage im Hochland. "In der Regenzeit verwandeln sich die Flüsse und Stauseen in Schlammlandschaften." Erosion habe es immer gegeben, so Schoeneberger - aber in den letzten Jahrzehnten haben die Flächenverluste massiv zugenommen.
Grund ist die Bevölkerungsexplosion in dem weltgrößten Binnenstaat. Lebten 1985 noch 40 Millionen Menschen dort, werden es Ende 2015 bereits 104 Millionen sein. Um mehr Nahrungsmittel anbauen und Vieh halten zu können, wurden die Wälder gerodet. In den letzten 50 Jahren dezimierte sich der Waldbestand von 37 auf drei Prozent der Landesfläche.
Inzwischen haben die Äthiopier die Missstände erkannt. Die Regierung in Addis Abeba hat mit dem "Sustainable Land Management Program" (SLM) ein Programm zur nachhaltigen Landbewirtschaftung ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Bodendegradation aufzuhalten und das Land wieder fruchtbarer zu machen. Die GIZ und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) die Äthiopier bei der Umsetzung des Programms. Außerdem beteiligt: Weltbank, EU und die Regierungen Kanadas und Norwegens. "Vor allem trainieren wir Regierungsmitarbeiter bei der Planung neuer Forste, Weiden, Terrassen und bei der Rehabilitierung von Wassereinzugsgebieten, damit sie die Bauern bei der Umsetzung vor Ort unterstützen", sagt Johannes Schoeneberger.
Landwirtschaft hat lange Tradition
Besonders beeindruckt ist Schoeneberger von der Tatsache, dass in jedem Dorf staatliche landwirtschaftliche Berater tätig sind, insgesamt 60.000 - jeweils ein Experte für Viehzucht, für Pflanzenanbau und für das Management der natürlichen Ressourcen. Und dass die Bevölkerung von dem Programm überzeugt sei, sagt er. "Der Einsatz und die Identifikation sind enorm."
Von Erfolgen berichtet auch Silvia Holten von World Vision. "In der nordäthiopischen Region Tigray stieg das Grundwasser wieder um mehrere Meter und 650 Brunnen konnten gebaut werden, die über Kanalsysteme nun ganzjährig Ackerflächen bewässern." Die Ernteerträge stiegen um das fünffache, das Mikroklima habe sich verändert, fügt die Sprecherin der Hilfsorganisation hinzu. World Vision fördert im ganzen Land Wiederaufforstungsmaßnahmen. "Es ist zutiefst beeindruckend, wie sich das Leben der Menschen in Humbo verändert hat, seit es in der Region wieder Wald gibt." Viele Jahre gab es immer wieder Hungersnöte, heute erwirtschaften die Menschen regelmäßig Überschüsse.
Resilienzen für Klimawandel
Allerdings belastet ein anderes Problem die Äthiopier: Der Klimawandel und das Wetterphänomen El Niño haben zu geringeren Regenfällen geführt. Die Ernten vertrockneten zuletzt. Die Regierung in Addis Abeba erklärte, dass rund 8,2 Millionen Landsleute auf dringende Nahrungsmittelhilfen angewiesen seien. Die Menschen in den wiederaufgeforsteten Gebiete seien nicht betroffen, das sagen sowohl Holten als auch Schoeneberger.
"Äthiopien wird künftig häufig von Starkregenfällen und längeren Trockenperioden betroffen sein, die zur Erosion führen", zitiert der GIZ-Experte Klimaforscher. Und der Völkerrechtler Walter Kälin befürchtet, in den Ländern am Horn von Afrika sei künftig mit großen Fluchtbewegungen zu rechnen.
Umso wichtiger sind Steinterrassen an Steilhängen und Wälder als Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Sie tragen zur Widerstandsfähigkeit (Resilienz) bei, weil das Wasser dort in den Boden einsickert und in Quellen später wieder austritt. "Die Äthiopier sagen, das Projekt ist eine Aufgabe für Generationen", berichtet Schoeneberger. Und was bedeutet ihm dieser Einsatz? Der Fachmann für nachhaltige Landwirtschaft überlegt eine Weile. "Soll ich das wirklich sagen?" fragt er zunächst ungläubig: "Für mich ist das Projekt die Krönung meiner 36-jährigen Karriere in der Entwicklungszusammenarbeit."
Er habe in vielen Ländern gearbeitet, aber solch ein erfolgreiches Projekt habe er noch nie unterstützen dürfen. Zum einen erfahre er Dankbarkeit von der Regierung seines Gastlandes, die "SLM" als ihr Projekt betrachte. "Zum anderem finde ich es erstaunlich, wie breitenwirksam das Projekt umgesetzt wird. Es erreicht Millionen Menschen. Diese Tatsachen empfinde ich als sehr befriedigend."