Bosnien-Herzegowina: Verhandlungsauftakt mit der EU
26. Januar 2006Von Seiten der Bosnier leitet der Chef des Verhandlungsteams, Igor Davidovic, die Delegation. Reinhardt Priebe, der Leiter der Westbalkan-Direktion in der EU-Erweiterungskommission, vertritt die EU. „Die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen Bosnien-Herzegowina und der EU sind kein Fußballspiel. Die Öffentlichkeit muss nicht alle fünf Minuten den Spielstand erfahren“, erklärte Reinhardt Priebe. Insgesamt sei er mit dem Auftakt der ersten Verhandlungsrunde zufrieden. Alle Beteiligten seien gut vorbereitet. Igor Davidovic, Chef des bosnisch-herzegowinischen Teams ist zuversichtlich, dass die Verhandlungen bis zum Jahresende abgeschlossen werden können und das Abkommen dann unterzeichnet wird. „Wenn man am Morgen den Abend erkennen könnte, dann waren die Gespräche ermutigend. Aber vor uns liegen erst die ernsten Themen, ernsthafte Verhandlungsrunden und – um es so auszudrücken – einige Dinge, mit deren Folgen wir alle erst noch Erfahrungen sammeln müssen“, so Davidovic.
Lange Anpassungszeit gefordert
Im Kern befassen sich die ersten Verhandlungsrunden mit der Liberalisierung des Handels sowie den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bosnien-Herzegowina und den EU-Mitgliedern. Offenkundig sei, dass die schwache Volkswirtschaft von Bosnien-Herzegowina den Wettbewerb mit der starken europäischen Wirtschaft nicht durchhalten kann - ebenso wenig, wie ein Kranker eine Überdosis starker Medikamente vertrage. Daher wird Davidovic zufolge Bosnien-Herzegowina fordern, dass die Übergangsphase für die Anpassung an die europäischen Gesetze und Standards sowie der Start für den Freihandel mit der EU acht Jahre betragen sollen. Premier Adnan Terzic ist noch vorsichtiger und spricht von einem Zeitraum von zehn Jahren. Erst danach könnte Bosnien-Herzegowina ernsthafter Kandidat für den EU-Beitritt werden.
Kritik von Präsidentschaftsmitglied
Suljeman Tihic, Mitglied der dreiköpfigen Präsidentschaft Bosnien-Herzegowinas, meint, der Weg dieses Landes in die EU-Integration wäre schneller und einfacher, wenn der Versuch, die Verfassung zu ändern, nicht kürzlich gescheitert wäre. Demnach sollte der Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina gestärkt und ein effizienteres und funktionelleres Parlament eingeführt werden. Damit sollte beispielsweise erreicht werden, dass nicht für jede Parlamentsentscheidung wie zurzeit die Zustimmung der beiden Entitäten erforderlich wäre. Tihic sagte: „Wir verfügen leider noch nicht über die erforderlichen Zuständigkeiten und Institutionen. Die EU möchte indes nur einen Partner, und das ist der Staat Bosnien-Herzegowina.“
Die nächste Verhandlungsrunde soll in sechs Wochen stattfinden.
Zoran Pirolic, Sarajewo
DW-RADIO/Bosnisch, 25.1.2006, Fokus Ost-Südost