Brasilien trocknet aus
18. Februar 2015Cláudio Bicudo hat viel zu tun dieser Tage. Er arbeitet für ein Unternehmen, das Auffangbehälter für Regenwasser installiert. Die Nachfrage habe sich im Januar 2015 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, erzählt Bicudo: "Vor der Wasserkrise gab es so gut wie keinen Markt für unsere Auffangsysteme. Jetzt installiere ich sie in unzähligen Privathaushalten und Wohnvierteln."
Dem Land mit einem der größten Süßwasservorräte der Welt - dem Amazonasfluss - trocknen die Stauseen und die Flüsse aus. Besonders betroffen ist das sogenannte Cantareira-Wasserreservoir, das aus mehreren Stauseen besteht und die Versorgung São Paulos sichern soll. Es ist derzeit nur noch mit acht Prozent der üblichen Wassermenge gefüllt. Anfang des Jahres waren es sogar nur vier Prozent - nicht genug für die Elf-Millionen-Einwohner-Metropole und damit größte Stadt Brasiliens und ihr dicht besiedeltes Umland.
"Fliegende Flüsse" fehlen
Gründe für die aktuelle Wasserkrise gibt es viele. So geht ein Großteil des Wassers durch überholungsbedürftige Rohre auf dem Weg von den Wasserwerken zu den Haushalten verloren. In den Medien ist von Verlusten von bis zu 30 Prozent die Rede.
Außerdem regnet es schlicht zu wenig. Forscher machen die anhaltende Abholzung des Amazonasregenwaldes und anderer Wälder in der Region von São Paulo dafür verantwortlich. Da das Waldgebiet immer weiter schrumpft, geben die Bäume weniger Feuchtigkeit in die Luft ab. Normalerweise steigen über dem Amazonasgebiet im Norden Brasiliens Regenwolken auf und ziehen gen Südosten, wo sie abregnen und das Land mit ausreichend Nässe versorgen. "Fliegende Flüsse" werden diese Regenfälle genannt. Doch sie werden immer weniger, wie brasilianische Wissenschaftler feststellen.
Duschen im Sportverein
Als einzige Lösung aus dem Dilemma sehen viele brasilianische Politiker derzeit nur, Wasser zu rationieren. Fünf Tage pro Woche sitzen die Paulistas dann auf dem Trockenen, an zwei Tagen kommt Wasser aus den Hähnen. Noch haben sie diese Maßnahme wegen der großen Kritik daran nicht umgesetzt. Da bereits der Wasserdruck gesenkt wurde, wissen zahlreiche Menschen in der Region jedoch schon jetzt, wie es ist, wenn das kühle Nass ausbleibt.
Einer dieser Menschen ist Claudio Couto. Der Universitätsprofessor wohnt im Westen São Paulos. Seine Familie muss bereits den vierten Tag ohne Wasser auskommen. "Wir haben zwei große Wassertanks, die je 1000 Liter fassen", sagt Coutou. Dank ihrer persönlichen Wasserreserven können sie ihre Grundbedürfnisse noch befriedigen. "Wir gehen sehr sparsam mit dem Wasser um und meine Söhne duschen nur noch im Sportverein", erzählt der Familienvater. Er plant bereits, den nächsten Wassertank zu kaufen: "Den größten, den ich finde, hole ich."
Selbst das Mineralwasser in den Supermärkten wird knapp. So sind in vielen Geschäften die großen Fünf-Liter-Flaschen nicht mehr erhältlich. Nur kleinere Flaschen stehen noch einsam in den Regalen. Auch die Schulen müssen sparen. Die Schüler dürfen sich teilweise nicht mehr die Zähne putzen und sollen nur noch Sandwiches zu essen bekommen, damit keine Teller abgewaschen werden müssen. Und einige staatliche Schulen schicken ihre Schüler einfach früher nach Hause, um die von der Regierung vorgegeben 20 Prozent Wasser einzusparen.
Eigene Wassertanks bauen
In einer anderen Gegend São Paulos haben sich die Menschen zusammengetan, um sich selbst zu helfen. Eine Gruppe von Bewohnern hat die Bewegung "Cisternas Já" ("Zisternen sofort") gegründet. Die Mitglieder geben Kurse, in denen sie anderen Menschen beibringen, sich eigene Wassertanks für ihren Privathaushalt zu bauen, um so Regenwasser aufzufangen und zu speichern.
"Wir wollten etwas tun und nicht einfach abwarten, dass die Regierung sich bewegt. Die Politiker verlieren viel Zeit mit ihren internen Kämpfen und Streits", sagt Ariel Kogan, einer der Gründer des Projektes.
Im Haus des 29-Jährigen hat die Gruppe die erste eigene Zisterne gebaut. Der Tank fasst 200 Liter und hat 250 Reais gekostet, umgerechnet rund 80 Euro. Der Bau hat nur einen Tag gedauert, erzählt Kogan: "Ich konnte das Wasser bereits nutzen, zum Putzen oder zum Gießen meiner Pflanzen beispielsweise. Bald will ich auch noch einen chemischen Filter kaufen, damit ich mit dem Wasser auch meine Wäsche waschen kann."
Bisher können sich Ariel Kogan und seine Mitstreiter noch selbst helfen - und wer genug Geld hat, leistet sich großzügige Wassertanks. Die Wettervorhersagen lassen die Gesichter vieler Brasilianer derzeit auch wieder erstrahlen: In São Paulo soll es ein wenig regnen. Trotzdem müssen die Politiker tiefgreifende Reformen anstoßen, um die Dürre, die bereits seit Anfang 2014 Thema im Land ist, wirksam zu bekämpfen.