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Wasserknappheit in Brasilien

Nádia Pontes / Vanessa Dreier27. August 2014

Seit Monaten mahnt die Regierung von São Paulo zum Wassersparen. Bereits im nächsten Jahr könnte auch andernorts in Brasilien die Versorgung mit Trinkwasser kollabieren. Eine echte Lösung des Problems ist nicht in Sicht.

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Staudamm im Fluss Jaguari im brasilianischen Bundesstaat São Paulo (Foto: Reuters)
Staudamm im Fluss Jaguari im Bundesstaat São PauloBild: Reuters

São Paulo könnte bald das Wasser ausgehen. Fünf Stauseen umfasst das Versorgungssystem "Cantareira", das etwa neun Millionen Menschen in Brasiliens Wirtschaftszentrum und umliegenden Städten versorgt. Nach ausbleibenden Regenfällen sind nur noch zwölf Prozent des Gesamtvolumens mit Wasser gefüllt. Noch nie stand der Wasserspiegel so tief.

Schlechte Trinkwasserversorgung war lange Zeit ein Problem der Elendsviertel in Brasiliens Großstädten, eine reine Versorgungsfrage. Denn die meisten Gegenden verfügen über mehr Süßwasser als nötig, um die Bevölkerung zu versorgen. Auch der dicht besiedelte Südwesten, in dem sich São Paulo befindet, war stets mit reichlich Regen gesegnet.

Um einen Ausgleich zwischen Regen- und Trockenzeit zu schaffen und der steigenden Wassernachfrage der boomenden Metropole São Paulo gerecht zu werden, wurde hier vor 40 Jahren das "Cantareira" gebaut. Ernsthafte Engpässe gab es bisher nie. Bis zu diesem Jahr: "Unsere Aufzeichnungen reichen bis zur Inbetriebnahme zurück - es ist die mit Abstand schlimmste Situation in all den Jahren", erklärt Mauro Arce, Sekretär für Hygiene und Wasserressourcen des Bundesstaates São Paulo.

Wassermangel bereits spürbar

Auf Seiten der Regierung des Bundesstaates heißt es, dass keine Rationierungen des Wassers geplant seien. Dennoch gehen bei den Behörden täglich Klagen von Bewohnern ein, die von zeitweisem Wasserausfall berichten. Schuld sei die anhaltende Dürre, verteidigen sich die Verantwortlichen. Tatsächlich fiel gleich in mehreren Monaten nur ein Drittel der erwarteten Regenmenge. Im Vergleich zu den vorherigen Jahren regnete es zwischen Januar und Juli 2014 etwa 40 Prozent weniger.

Stadtverwaltungen und Landesregierung ermahnen die Bewohner deshalb seit Monaten zum maßvollen Umgang mit der Ressource. Im März startete die Regierung des Bundesstaates São Paulo ein Bonusprogramm für alle, die Wasser aus dem Cantareira-System beziehen: Wer 20 Prozent weniger als im Vorjahr verbraucht, erhält 30 Prozent Rabatt auf sein vom bundesstaatlichen Versorger Sabesp bezogenes Wasser.

Doch der erhoffte Effekt ist wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Weniger als zehn Prozent des Trinkwassers werden direkt in den Privathaushalten verbraucht. Der mit Abstand größte Konsument ist die Landwirtschaft, sie verschlingt 70 Prozent der Ressource. Moderne Bewässerungssysteme auf den Feldern könnten den Wasserverbrauch womöglich viel stärker senken.

Wenig Regen, wenig Spielraum

Dabei wäre das vielleicht gar nicht nötig. Die Stauseen könnten trotz geringer Niederschläge voller als zur Zeit sein. Denn Unmengen an aufbereitetem Wasser gehen verloren, bevor sie überhaupt durch Brasiliens Wasserhähne fließen. Im Landesdurchschnitt sind es mehr als 35 Prozent, die unter anderem durch lecke Leitungen versickern oder auf dem Transportweg verdunsten.

"Probleme auf Verwaltungsebene und fehlende Investitionen tragen neben Klimafaktoren zur aktuellen Situation bei", erklärt Wilson Figueiredo Jardim, Koordinator des Labors für Umweltchemie der staatlichen Universität von Campinas.

Bereits 2010 hat die staatliche Nationale Wasseragentur (ANA) in einer Studie vor einem drohenden Zusammenbruch der brasilianischen Wasserversorgung gewarnt. Die Autoren schätzten damals, dass ohne signifikante Investitionen mittelfristig bis zu 55 Prozent der brasilianischen Städte mit Wassermangel zu kämpfen hätten. Allein zehn Milliarden US-Dollar seien nötig, um die Wasserversorgung bis 2025 zu sichern. Bisher sind diese Investitionen ausgeblieben.

Versorgung bis November sichergestellt

Auf bundesstaatlicher Ebene steht die Wasserknappheit bisher nicht auf der politischen Agenda. "Niemand spricht das Problem an, es wird als schädlich empfunden", sagt Figueiredo Jardim. "Doch wir müssen die aktuell sehr schwierige Situation angehen, sonst könnten die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sehr ernst werden." Im Herbst stehen die brasilianischen Präsidentschaftswahlen an.

Einen dramatischen Wassermangel werde es in absehbarer Zeit jedoch auch in São Paulo nicht geben, sagt Mauro Acre. Die Regierung von São Paulo hat einen Notfallplan ausgetüftelt, um einen Totalzusammenbruch der Wasserversorgung vorerst zu umgehen: Derzeit wird Wasser aus tieferen Schichten der Reservoire gepumpt. "Mit dem zusätzlich geförderten Wasservolumen sind wir erst mal versorgt", sagt Arce, "bis November". Sollte sich der Wasserstand des Stausees bis dahin nicht regeneriert haben, könnten weitere Wasserreserven mobilisiert werden, die laut Arce bis März 2015 reichen würden. Was danach passiert, ist ungewiss.