Brasilien will G20 von Steuer für Superreiche überzeugen
1. August 2024In der vergangenen Woche haben die G20-Finanzminister auf ihrem Treffen in Rio de Janeiro bekundet, sich für die Besteuerung von Superreichen einzusetzen. "Unter voller Wahrung der Steuerhoheit werden wir uns bemühen, gemeinsam dafür zu sorgen, dass sehr vermögende Privatpersonen effektiv besteuert werden", hieß es in der gemeinsamen Abschlusserklärung.
Brasilien, das derzeit die G20-Präsidentschaft innehat, hatte angeregt, Milliardäre jährlich mit mindestens zwei Prozent ihres Vermögens zu besteuern. Dies würde zusätzliche Einnahmen von 200 bis 250 Milliarden Dollar erbringen, die zur Armutsbekämpfung und für den Klimaschutz eingesetzt werden könnten.
Brasilien will Vorreiterrolle übernehmen
Den brasilianischen Vorschlag hat der französische Ökonom Gabriel Zucman erarbeitet. Geboren worden sei die Idee, die Globale Mindeststeuer für Superreiche an die G20 heranzutragen, im Februar diesen Jahres, sagt Zucman.
Auch auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos hatte es ähnliche Forderungen - teils von einigen Milliardären selbst - bereits gegeben. Brasilien habe nun einen Beitrag zur engeren internationalen Zusammenarbeit in Steuerfragen auf den G20-Tisch bringen wollen, erklärt der Ökonom und Gründer des EU Tax Observatory in Paris im Gespräch mit der DW.
So habe es dank der G20 in den vergangenen zehn Jahren bereits Fortschritte beim automatischen Informationsaustausch zu Bankdaten sowie bei der Globalen Mindestbesteuerung für große Unternehmen gegeben. "Brasilien hat sich gefragt: Was kommt nun? Und ich habe ihnen geantwortet, dass es eine globale Mindeststeuer für die Superreichen geben sollte."
Je mehr Vermögen, desto weniger Steuern
Damit meint Zucman den relativ kleinen Kreis von weltweit rund 3000 Milliardären, die - gemessen an ihren Möglichkeiten - bisher unterdurchschnittlich geringe individuelle Steuern zahlen. Nämlich im globalen Durchschnitt nur rund 0,3 Prozent ihres Vermögens.
Nehme man die gesamte Steuerbelastung, so käme ein Milliardär auf rund 20 Prozent - zum Vergleich: Die Steuerlast für die Unter- und Mittelschicht in Deutschland oder Frankreich liege bei 40 bis 50 Prozent.
"Das ist eine fundamentale Ungerechtigkeit: Die Wohlhabendsten, die am meisten beitragen könnten, haben die niedrigste effektive Steuerbelastung", so Zucman.
"Mein Vorschlag einer minimalen individuellen Einkommenssteuer für Milliardäre von zwei Prozent ihres Vermögens soll garantieren, dass sie nicht weniger zahlen als ihre Chauffeure, Hausangestellten oder der Rest der Bevölkerung. Denn niemand kann gutheißen, dass Milliardäre weniger bezahlen als der Rest von uns."
Oft in Unternehmen angelegtes Geld
Auch wenn es bei manchen Superreichen, wie zum Beispiel Donald Trump, durchaus Kontroversen darüber gebe, wie viele Milliarden sie tatsächlich besitzen, sei die Erhebung der Vermögenswerte in den meisten Fällen relativ einfach.
Etwa die Hälfte des Reichtums der weltweiten Milliardäre sei in Aktien von öffentlich gelisteten Unternehmen angelegt. Die andere Hälfte hauptsächlich in Beteiligungen an privaten Unternehmen, die bewertet werden können.
"Ich sage nicht, dass wir eine absolut perfekte Bewertung haben werden. Es wird immer Ausnahmefälle wie Trump geben, bei denen es schwierig ist. Aber wir können einen vernünftigen Richtwert ermitteln."
Die Besteuerung von Milliardären falle weltweit auf große Zustimmung, glaubt Zucman. Hoffnung macht ihm, wie rasch der mittlerweile von über 100 Ländern eingeführte globale Informationsaustausch zu Bankdaten akzeptiert wurde.
Dies sei lange kein Thema gewesen, bis die G20-Finanzminister ihn dann 2013 auf ihre Agenda brachten. Heute habe man dadurch die länderübergreifende Steuerhinterziehung um zwei Drittel reduzieren können.
"Kritische Menge an Ländern" müsse mitmachen
Auch müssten nicht alle Länder mit an Bord. "Wir brauchen bloß eine kritische Menge von Ländern, wie große europäische Länder gemeinsam mit Brasilien und Südafrika, die die Besteuerung ihrer Milliardäre einführen. Und die zudem die Milliardäre anderer Länder besteuern, die in ihrer Heimat zu wenig bezahlen und zu deren Vermögen man im Ausland Zugang hat."
Brasilien will den Vorstoß beim G20-Gipfel im November in Rio de Janeiro in trockene Tücher bringen. Zucman glaubt, dass nun rasch die Gespräche über die technischen Details auf offizieller Bühne losgehen.
Bei der Globalen Mindestbesteuerung für Unternehmen habe die Ausarbeitung etwa zehn Jahre gedauert. Er hoffe, dass die Steuer für Milliardäre schneller komme, da man auf den Erfahrungen zur Globalen Mindestbesteuerung für Unternehmen aufbauen könne. "Wir müssen das Rad nicht mehr neu erfinden, sondern die Prozesse nun für die Superreichen anpassen."
Zucmans Vorschlag sei keine Utopie, dürfte jedoch schwer auf globaler Bühne durchzuführen sein, analysiert Nelson Marconi von der Wirtschaftsuniversität Fundação Getúlio Vargas im brasilianischen São Paulo. Wichtig sei, dass einige große Länder vorangingen. Ein Abkommen innerhalb der G20 würde dann Druck auf den Rest der Welt aufbauen, diese Steuer Zug um Zug global einzuführen, sagt der Ökonom im Gespräch mit der DW.
Für Brasilien wäre ein Erfolg der Mindeststeuer ein großer Schritt, um sich als globaler Player für soziale Gerechtigkeit zu positionieren, glaubt Marconi. "Für das progressive Image, dass Brasiliens Regierung im Ausland verbreiten will, ist das Vorantreiben dieser Debatte sehr wichtig."