Brasilien zerschlägt mächtiges Amazonas-Kartell
26. Februar 2015Ezequiel Antônio Castanha war der "größte Abholzer des Amazonas". So schreibt es die brasilianische Umweltbehörde "Ibama" in ihrer Mitteilung. Die Festnahme setze der "Operation Kastanienbaum", geführt von der Bundespolizei und der Umweltbehörde, die Krone auf, so die "Ibama" weiter. Es ist ein gewaltiger Coup für die Behörden, denn nach Castanha hatten sie bereits seit August 2014 gesucht. Im Laufe der Ermittlungen wurden acht weitere Mitglieder der Gruppe festgenommen.
Castanha wurde nach Angaben des Polizeibeamten Everaldo Eguchi am frühen Samstagmorgen des 21. Februar in der Kleinstadt Itaituba mitten im Amazonasgebiet festgenommen. Eguchi steht der Polizeibehörde vor, die für die Verfolgung von Umweltverbrechen im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará verantwortlich ist: "Die Aktion musste im Geheimen stattfinden. Die Menschen in dieser Region sind gegen solche Festnahmen, obwohl sie wissen, dass Castanha nicht auf besonders legale Weise an sein Geld gekommen sein kann. Doch darüber wird nicht gesprochen." Castanha besitze ein Hotel, Supermärkte und große Autos, sagte Eguchi der DW: "Er hat eine Frau, eine Geliebte, das ganze Paket. Sein Leben hier war sehr komfortabel."
Alle wissen Bescheid - niemand tut etwas
Die Kleinstadt, in der Castanha von der Polizei überrascht wurde, befindet sich an der Bundesstraße 163, auch bekannt als Soja-Highway. Eine extrem weitläufige Gegend, in der nach Angaben von Greenpeace der größte Teil des Amazonasregenwaldes zerstört wird und in der der Staat oft rechtsfreie Zonen hinterlasse. Die gesamte Region lebe von den Einnahmen, die dank der illegalen Geschäfte gemacht würden, sagt Polizeichef Eguchi: "Niemand tut etwas dagegen, da jeder auf irgendeine Art von dem Geld profitiert."
Allein im vergangenen Jahr soll das Kartell rund um den nun festgenommenen Castanha für die Rodung einer Fläche, die 15.000 Fußballfeldern entspricht, verantwortlich gewesen sein. Daniel Azeredo ist der zuständige Staatsanwalt im Bundesstaat Pará: "Man braucht viel Geld und Logistik, um den Amazonas so zu zerstören." Die Staatsanwaltschaft wirft Castanha und seinem Kartell vor, schon seit 2006 große Flächen des Regenwaldes regelmäßig gerodet, die Besitzrechte erschlichen und dann die Grundstücke teuer an Viehbauern weiterverkauft zu haben. Das Ganze soll einen Schaden von rund 200 Millionen Euro verursacht haben.
Dabei sollen die Arbeiter teils unter sklavenähnlichen Bedingungen gearbeitet haben, so Staatsanwalt Azeredo im Gespräch mit der DW: "Die Menschen, die die Bäume fällen, erhalten nur sehr wenig Geld, und sie müssen im Regenwald übernachten. Ziel ist, dass der Regenwald so schnell wie möglich gerodet wird. Dabei sterben Tiere, und es wird immer wieder Feuer gelegt, um auch die Wurzeln der Bäume zu entfernen." Nachdem die Fläche nach drei bis vier Jahren für die Viehzucht nutzbar sei, würden Makler in den Süden Brasiliens geschickt, die dort nach Interessenten für die Nutzung des Landes, vor allem für die Rinderzucht, suchen, so Azeredo: "Man arbeitet so schnell wie möglich, um die Flächen zu Geld zu machen."
Rinder statt Wald
Der Großteil der illegal gerodeten Waldflächen - rund gut 60 Prozent - wird nach Angaben von Greenpeace von Viehzüchtern genutzt. Denn bis heute ist es in Brasilien noch günstiger, sich die Flächen illegal anzueignen, statt altes, brachliegendes Ackerland wieder nutzungsfähig zu machen. Hier sieht Greenpeace großen Handlungsbedarf der brasilianischen Behörden: "Der Preis, den das brasilianische Volk und letztlich jeder von uns für diese Rodungen bezahlt, ist zu hoch", sagt Romulo Batista, Referent für den Amazonasregenwald bei Greenpeace Brasilien.
"Diese Menschen haben nicht nur Regenwald zerstört, sondern auch Grund und Boden vom brasilianischen Staat gestohlen", so Batista weiter. Denn Regenwald gehört in Brasilien grundsätzlich dem Staat. Doch auf weiten Teilen der unendlich großen Fläche des Waldes ist der Staat oft nicht präsent, sagt er. Das gebe den Motorsägen freie Bahn.
Der kriminelle Raubbau ist der größte Regenwaldzerstörer in Brasilien, sagt der Südamerika-Referent des WWF Deutschland, Roberto Maldonado: "Deswegen müssen vor allem die Hintermänner dieser kriminellen und oft gewaltbereiten Banden festgenommen werden."
Korruption aufdecken
Außerdem solle laut Greenpeace-Referent Batista auch nicht außer Acht gelassen werden, dass das ganze System der illegalen Besitznahme der Flächen ohne korrupte Beamte nicht funktionieren würde: "Um sich über eine so lange Zeit eine so große Fläche anzueignen, wie Castanhas Kartell es getan hat, und so viel Geld damit zu verdienen, muss es Kontakte in die Behörden gehabt haben". Batista sagt, er sei gespannt, was die weiteren Ermittlungen in dieser Hinsicht ergäben.
Die Festnahme Castanhas sei eine tolle Nachricht: "Es ist ein klares Zeichen an die Kartelle, dass die Luft für sie dünner wird und sie nicht weiter straffrei handeln können." Trotzdem dürfe man nicht vergessen, dass der Amazonasregenwald mit jeder Sekunde weiter schrumpfe.
Ezquiel Castanha droht eine Haftstrafe von über 40 Jahren. Neben der illegalen Abholzung werden ihm Geldwäsche, Verschwörung, die Bildung eines kriminellen Kartells sowie die Nutzung illegaler Dokumente vorgeworfen. Der Anwalt des Angeklagten, Alberto Vila Cabano, sagte im brasilianischen Fernsehen, Castanha sei Opfer "unbegründeter Anschuldigungen". Man werde Castanhas Unschuld im Laufe des Prozesses beweisen.