Brasiliens direkter Draht nach China
19. August 2014Rund 8,8 Milliarden US-Dollar kostet die unterirdisch verlegte Trasse. Sie verbindet die Eisenerzmine in dem Ort "Conceição do Mato Dentro" im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais mit dem Tiefseehafen Açu im Bundesstaat Rio de Janeiro. Über 25 Millionen Tonnen des wertvollen Rohstoffes sollen jährlich durch die Pipeline fließen.
Für den Transport wird das Eisenerz mit Wasser vermischt. Die Masse fließt mit einer Geschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde durch das Rohr und braucht vier Tage, bis sie am Tiefseehafen eintrifft. Dort werden Wasser und Erze wieder getrennt und der Rohstoff auf Tiefseefrachter Richtung China verschifft.
Milliardenhandel mit China
Brasilien verfügt nach Australien über die zweitgrößten Eisenerzreserven weltweit. Nach Angaben des Statistikportals "Statista" beliefen sich die Reserven in Australien 2013 auf 35 Milliarden Tonnen, in Brasilien auf 31 Milliarden Tonnen und in Russland auf 25 Milliarden Tonnen. Nach Angaben des brasilianischen Ministeriums für Außenhandel exportierte Brasilien im vergangenen Jahr Eisenerz im Wert von 46 Milliarden Dollar nach China.
"Die Pipeline ist ein Meilenstein", erklärt der verantwortliche Bauleiter Alberto Vieira von der Firma Anglo American. "Wenn sie in Betrieb geht, verfügen wir über einen zuverlässigen und effizienten Transportweg für den Rohstoffexport". Die laufenden Kosten und die Auswirkungen auf die Umwelt seien im Vergleich zum Transport über die Straße gering. Ohne die Pipeline wären bis zu 800.000 Lastwagen-Fahrten nötig, um das abgebaute Eisenerz nach Rio zu bringen, so Vieira.
Der britische Bergbaukonzern Anglo American erwarb 2008 die Baupläne für die Pipeline. 2009 lagen die ersten Pläne für die Streckenführung vor. In diesem Jahr wurden bereits erste Betriebstests durchgeführt. Bis zum Ende des Jahres sollen alle notwendigen Lizenzen für die Inbetriebnahme der Pipeline und der Mine vorliegen.
Streit um Entschädigungen
Aufgrund von technischen und rechtlichen Problemen verzögerte sich der Bau der Pipeline um mehrere Jahre. So verklagte die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais die Firma Anglo American unter anderem wegen der Trassenführung einer Stromleitung sowie den Auswirkungen der Pipeline auf umliegende archäologische Stätten. Zudem wurde von der brasilianischen Justiz beanstandet, dass die Pipeline Höhlen durchquere, in denen vom Aussterben bedrohte Tierarten lebten.
Auch soziale Konflikte begleiteten den Bau des Megaprojektes. So trafen Vertreter des brasilianischen Arbeitsministeriums bei ihren Kontrollen auf der Baustelle zweimal hintereinander auf Beschäftigte, die unter sklavenähnlichen Verhältnissen arbeiteten. Zudem wurden die Entschädigungsverhandlungen mit den Eigentümern der Grundstücke, die sich im Einzugsgebiet der Pipelinetrasse befanden, als intransparent kritisiert.
"Während der Verhandlungen über Entschädigungen wurden nicht bei allen Eigentümern dieselben Kriterien zugrundegelegt", meint Sozialwissenschaftlerin Denise Pereira de Castro von der katholischen Universität von Minas Gerais (PUC-Minas). "Familien aus bildungsfernen Schichten sind benachteiligt worden", lautet ihre Bilanz.
Kleinbauern werden benachteiligt
Besonders hart traf es kleinbäuerliche Betriebe. Denn die Sicherheitszone oberhalb der unterirdisch verlegten Pipeline, so die Forscherin, mache Viehzucht und Ackerbau unmöglich. "Es handelt sich um eine Art wirtschaftliche Vertreibung", erklärt Denise Pereira. "Die Leute werden zwar nicht umgesiedelt, aber sie können ihre Grundstücke nicht mehr landwirtschaftlich nutzen".
Für den brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais hat sich die größte Eisenerzpipeline der Welt bis jetzt als eine Art Konjunkturprogramm erwiesen. Ende 2013 beschäftigte Anglo American rund 20.000 Menschen in dem Projekt. Nach der Inbetriebnahme sollen es noch 5000 direkte und indirekte Arbeitsplätze sein. Nach unternehmensinternen Angaben investierte Anglo American zudem 150 Millionen Dollar in soziale Maßnahmen in den umliegenden Gemeinden. Weitere 50 Millionen Dollar flossen in Umweltprojekte.