Bolsonaro legt Rentenreform vor
21. Februar 2019Brasiliens Rentensystem ist vor allem eines: kostspielig. Nur relativ wenige Beitragsjahre sind nötig, um das Altersruhegeld zu bekommen. Folge: Viele Brasilianer gehen schon mit Ende Vierzig in Rente. Was zu enormen Belastungen des Staatshaushalts führt.
Der im Januar angetretene neue Präsident Jair Bolsonaro will mit einer Rentenreform nun deutliche Einsparungen erzielen: umgerechnet mehr als 265 Milliarden Euro in zehn Jahren. Der umfassende Umbau zählt zu den Kernpunkten von Bolsonaros innenpolitischer Agenda. Den Gesetzentwurf zur Rentenreform legte der Rechtspopulist persönlich im Parlament in Brasília vor.
Demnach sollen Männer in Zukunft bis zum 65. Lebensjahr, Frauen bis zum 62. arbeiten, berichten Medien. Insgesamt will man das auf einem Generationenvertrag basierende System langfristig auf Kapitaldeckung umstellen. Vorgängerregierungen waren stets mit ihren Rentenreformen gescheitert.
System vor dem Kollaps?
Angesichts einer rasch alternden Bevölkerung und längeren Lebenserwartungen sei das bisherige System nicht mehr finanzierbar, so die Regierung. In den vergangenen 20 Jahren hatte sich Brasiliens Defizit vervielfacht und bedroht mittlerweile die Zahlungsfähigkeit von Bund und Ländern.
Vor wenigen Tagen hatte Bolsonaro gewarnt, dass die erwarteten Kostensteigerungen bei den Rentenausgaben die Staatsfinanzen ohne Reform binnen vier Jahren ruinieren könnten. "Ein neues Rentensystems ist von grundlegender Bedeutung, um den Haushalt unseres Landes auszugleichen, damit das System nicht zusammenbricht, wie es bereits in anderen Ländern und in einigen brasilianischen Bundesstaaten geschehen ist", sagte Bolsonaro in einer Rede an die Nation.
Rente mit Ende Vierzig
Im Jahr 2017 entsprachen Rentenzahlungen rund 13,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bis 2060 könnte dieser Wert auf 23 Prozent steigen. Momentan gibt es kein Mindestalter für den Renteneintritt. Bisher konnte man nach 35 Beitragsjahren Rente beantragen, was viele Brasilianer nutzten, um sich bereits im besten Alter aus dem Berufsleben zu verabschieden.
"Wir müssen die Regeln des Rentensystems ändern", sagte der Rentenexperte im Wirtschaftsministerium, Leonardo Rolim. "Die Menschen leben länger und Frauen haben weniger Kinder, was bedeutet, dass die erwerbstätige Bevölkerung zurückgehen wird."
Das Mindestalter für den Renteneintritt soll für Frauen künftig bei 62 Jahren und für Männer bei 65 Jahren liegen. Die neue Regel sieht zudem vor, dass nach 40 Beitragsjahren 100 Prozent der zuletzt gezahlten Bezüge als Rente ausgezahlt werden. Die geplante Mindestbeitragszeit beträgt 20 Jahre, die aber nur ein Anrecht auf 60 Prozent des letzten Gehalts garantieren.
Das neue Rentenalter gilt für städtische Arbeiter und Angestellte der Privatwirtschaft. Auf dem Land soll es bei 60 Jahren liegen.
Widerstand im Kongress
Für öffentliche Angestellte gelten zahlreiche Ausnahmeregeln. Generell gehen sie jedoch weiterhin früher und mit deutlich besseren Renten in den Ruhestand. Deshalb sind sie auch hauptsächlich für das wachsende Defizit verantwortlich. Insgesamt gleichen die angepeilten Einsparungen das Haushaltsminus nur teilweise aus. Für die geplanten Änderungen muss die Verfassung geändert werden. Noch ist unklar, ob es im Kongress dafür eine Mehrheit gibt.
Reformen bei Militärs, Polizisten und Feuerwehrleute sollen erst in einem Monat vorgelegt werden. Hier ist das Defizit zwar besonders hoch, jedoch sträuben sich diese Gruppen besonders stark gegen Kürzungen. Veränderungen können in ihrem Fall durch ein einfaches Gesetz verabschiedet werden.
"Ein Reformplan, der das Militär nicht einschließt, wird im Kongress nicht durchkommen", sagte Senator Ciro Nogueira, Vorsitzender der Fortschritts-Partei, die dem Mitte-Rechts-Spektrum zugerechnet wird. Linke Parteien kritisieren die angestrebten Änderungen bei der Rente in Gänze scharf und kündigten Demonstrationen an. Der Autor des Reformvorschlags, Wirtschaftsminister Paulo Guedes, sagte jedoch, er sei "ziemlich optimistisch", dass ein "besonnener" brasilianischer Kongress das Gesetz ohne allzu viele Änderungen verabschieden würde - aus der Einsicht, dass die Reform für Brasiliens Wirtschaftswachstum notwendig sei. Es wird mit einer harten Debatte im Parlament gerechnet.
AR/kle (kna, afp, dpa, rtr)