Brexit-Deal: "Nicht um jeden Preis"
15. Oktober 2018Die wichtigste Hürde in den festgefahrenen Brexit-Verhandlungen ist immer noch die Frage, wie Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Irland hält ein Brexit-Abkommen nach wie vor für möglich, erwartet aber Verzögerungen. "Wir wollen ein Ergebnis, das die Nerven beruhigt und uns erlaubt, einen geregelten, vernünftigen Brexit abzuwickeln", sagte Außenminister Simon Coveney am Montag in Luxemburg. "Ich glaube, dass das immer noch möglich ist, aber offensichtlich braucht es mehr Zeit, als viele es gehofft hatten." Die irische Regierung sei wegen des Stockens der Verhandlungen "frustriert, aber immer noch ziemlich ruhig", sagte Coveney.
EU bereitet sich auf harten Brexit vor
Die EU verstärkt angesichts der fehlenden Einigung ihre Vorbereitungen auf einen Austritt Großbritanniens ohne Vereinbarung. Zwar arbeite die EU weiter "hart für einen Deal", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. Die "Notfall"-Vorbereitungen auf einen Brexit ohne Austrittsvertrag würden nun aber "fortgesetzt und verstärkt".
Die EU-Kommission hatte bereits Mitte Juli die Mitgliedsländer, sowie Regionen, Kommunen und Unternehmen aufgefordert, sich auf "alle Szenarien" mit Blick auf den Brexit vorzubereiten. Denn ohne Einigung werde es auch keine Übergangsphase geben, in der Großbritannien bis Ende 2020 noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Dann drohen durch wiedereingeführte Kontrollen starke Störungen des Waren- und Reiseverkehrs zwischen beiden Seiten.
Die deutschen Exporteure warnen die EU jedoch vor zu großen Kompromissen gegenüber Großbritannien. Es sei zwar bald Klarheit über die Voraussetzungen für einen "reibungslosen Warenaustausch" mit Großbritannien nötig, sagte der Chef des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann. "Doch es gilt weiterhin: Bitte nicht um jeden Preis. Für uns Groß- und Außenhändler steht - nach wie vor - die Integrität des Binnenmarkts an erster Stelle."
Deutsche Regierung vorsichtig optimistisch
Auch die deutsche Bundesregierung geht nicht davon aus, dass es beim EU-Gipfel am Mittwoch doch noch eine Einigung zum Brexit geben wird. Die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens würden jetzt "über den Oktoberrat hinaus" weitergeführt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass "ein erfolgreicher Abschluss" erreicht werde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht die Brexit-Verhandlungen in einer schwierigen Phase. Man müsse sich auf alle verschiedenen Szenarien vorbereiten, sagte die CDU-Chefin. Merkel machte deutlich, dass auch für sie die Integrität des EU-Binnenmarktes von entscheidender Bedeutung sei. Sie dürfe durch den britischen EU-Austritt nicht zerstört werden. Die Europäische Union wolle aber möglichst unbürokratische Beziehungen mit Großbritannien. Die Verhandlungen verlangten viel Fingerspitzengefühl, die Zeit dränge jedoch.
Ihr Sprecher Seibert deutete allerdings an, dass sich die Bundesregierung auch auf einen ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU vorbereitet. Es sei "verantwortungsvolle Politik", sich auf "alle Austrittsszenarien" einzustellen. Ein Austritt Großbritanniens ohne Abkommen wäre aber "weder im deutschen, noch im europäischen, noch im britischen Interesse". Der Kabinettsausschuss zum Brexit werde am Mittwoch über den aktuellen Stand der Verhandlungen beraten, kündigte der Regierungssprecher an.
"Auf Ungewissheiten einlassen"
Bundesaußenminister Heiko Maas sieht Deutschland auch für den Fall eines endgültigen Scheiterns der Brexit-Verhandlungen gerüstet. "Wir sind auf alle Fälle vorbereitet", sagte der SPD-Politiker am Montag am Rande eines EU-Treffens in Luxemburg. Dies sei schon seit einigen Wochen der Fall. Zugleich äußerte sich Maas vorsichtig optimistisch, dass die EU sich trotz der Unterbrechung der Gespräche am Sonntag doch noch mit Großbritannien über die Austrittsbedingungen einigen kann.
Er verwies dabei auch auf das Interesse in Großbritannien an einer Einigung. Keinen Deal zu haben, hieße sich "auf viele Ungewissheiten einzulassen, die für die Menschen, aber auch für die Wirtschaft wirklich erhebliche Risiken bieten", sagte Maas. "Deshalb hoffe ich, dass am Schluss die Vernunft die Oberhand hat und wir auch auf der Zielgeraden in der Lage sind, noch ein Abkommen zu beschließen."
pgr/rb (dpa, afp, rtr)