Mays Problem sind die Konservativen
17. Januar 2019"Wir sollten jetzt Eigeninteressen zurückstellen", erklärte Theresa May am Mittwochabend mit Blick auf die oppositionellen Parteiführer im Unterhaus, nachdem sie gerade ihr Misstrauensvotum mit Hilfe der nordirischen DUP überstanden hatte. Der Premierministerin fehlt erkennbar ein Sinn für Ironie, denn sie ist gerade deshalb in der Klemme, weil sie seit dem Beginn der Brexit-Verhandlungen nur die Interessen ihrer eigenen Konservativen verfolgt hatte. Die machen ihr weiter das Leben schwer und das Regieren fast unmöglich.
Keiner will derzeit das Amt
Warum verpassten die Konservativen am Dienstagabend der Premierministerin eine so dröhnende Niederlage bei der Abstimmung zum Brexit-Abkommen? Ein Drittel der eigenen Leute stimmte gegen Theresa Mays Deal, nur um sie am Abend darauf mit Mehrheit im Amt zu bestätigen? Was als Gegensatz erscheint, erklärt sich aus der Interessenlage der intern tief gespaltenen Tories.
Keiner will derzeit ihr Amt übernehmen, sich beim Brexit-Chaos die Hände schmutzig machen und seine Karriere schon gefährden bevor sie richtig angefangen hat. Theresa May befindet sich in einer Lage, in der sie wenig zu gewinnen hat und immer noch alles verlieren könnte. Sie muss jetzt einen überparteilichen Konsens zum Brexit zustande bringen, dessen Umriss weiterhin unklar ist.
Zwar gibt es eine Reihe von Anwärtern auf den Einzug in die Downing Street, vor allem unter den Hardlinern bei den Tories. Boris Johnson und der frühere Brexit-Minister Dominic Raab scharren mit den Hufen, wissen allerdings, dass sie keine Mehrheit in der Partei hinter sich haben. Und Brückenbauer kommen nicht wirklich infrage: Unter den Gemäßigten gilt etwa Innenminister Sajid Javid als möglicher Kandidat, der wiederum von den Hardlinern abgelehnt wird, weil sie ihn für zu flexibel bei den Themen Migration und Brexit finden.
Theresa May ist auch geschwächt, weil ihre Konkurrenten sich nicht auf einen anderen Kandidaten einigen können.
Die Brexiteers bleiben hart
Brexit-Staatssekretär Steve Baker trat aus Protest gegen den Verlauf der Verhandlungen im Sommer 2018 zurück, zeitgleich mit seinem Chef David Davis. Beide gehören zur Fraktion der harten Brexiteers, die Großbritannien von den "Fesseln" der EU-Regeln befreien wollen. Er gehört inzwischen zu den Anführern derer, die gegen Theresa May Austrittsabkommen sind.
Wie soll es seiner Meinung nach jetzt weitergehen? Baker und seine Gesinnungsgenossen haben eine klare Linie, erklärte er im Interview mit der DW: "Als nächstes ist der Plan dran, den wir jetzt veröffentlicht haben. Wir wollen eine Vereinbarung mit der EU, wie sie uns im März vorigen Jahres angeboten wurde: ein umfassendes Freihandelsabkommen, keine Zölle und Begrenzungen, Sicherheitszusammenarbeit und ein paar weitere Kooperationen. Das ist, was wir wollen." Oft würden sie falsch dargestellt: "Denn wir wollen die EU mit einem Abkommen verlassen nach der Art, wie sie es uns angeboten hat. Aber wenn das nicht klappt, sind wir bereit nach den WTO-Regeln zu gehen."
Zur Niederlage von Theresa Mays am Dienstagabend im Parlament äußert sich ihr ehemaliger Parteikollege nur nüchtern: "Seit ich die Regierung verlassen haben, habe ich immer wieder gesagt, dass ihr Deal nicht durchs Parlament kommen kann und dass dadurch eine Krise entsteht. Es tut mir leid, aber die Regierung war gewarnt." Diese Haltung ist haben in etwa auch ein Drittel der Konservativen.
Ein Kompromiss droht die Tories zu spalten
Der Rest der Tories spaltet sich auf in ein paar EU-Freunde, Anhänger eines weichen Brexit, Anhänger eines zweiten Referendums - es sind alle möglichen Auffassungen vertreten. Das Problem von Theresa May ist nur, dass sie zwar mit diesen Gruppen, die sich auch in ihrem eigenen Kabinett wiederfinden, einen Kompromiss finden könnte. Für eine Mehrheit im Parlament aber bräuchte May dann noch gut 120 Stimmen von Seiten der Opposition, die nur einem viel weicheren Brexit zustimmen würden - etwa mit Verbleib in der Zollunion oder einer zweiten Volksbefragung.
Schwenkt sie aber um, auf eine weichere Linie, droht sie damit ihre eigene Partei endgültig zu spalten. Derzeit weiß man aber noch nicht, ob die eher unflexible Premierministerin das überhaupt anstrebt. Der Riss bei den Tories über Europa reicht quasi fünf Jahrzehnte zurück in die Zeit, als über den Beitritt Großbritanniens gestritten wurde.
Dieser Grundsatzstreit war zwischendurch nur verdeckt, der Widerspruch wurde nie gelöst und hat schon die Regierungen von Margret Thatcher und John Major überschattet. Nach Theresa Mays eigenem Mantra aber hat sich "nichts geändert": Sie ist weiterhin Suche nach einer Lösung und muss die Quadratur des Kreises schaffen.