Protestmarsch gegen Anti-LGBTQ-Gesetze
25. Juli 2021Einige Meter vor Budapests ikonischer Freiheitsbrücke gingen die homophoben Beleidigungen der rund 80 Gegendemonstranten in den Jubelschreien Tausender unter. Einige Teilnehmer schickten Küsse über die Absperrung, andere formten Herzen mit ihren Händen.
30.000 Menschen und damit mehr als je zuvor nahmen laut Veranstaltern am 26. Budapester Pride March teil. Ausgelassen und in bunte Farben gehüllt zog die Menge durch das Zentrum der ungarischen Hauptstadt und schließlich über die Donau.
Gesetz sorgte bereits weltweit für Proteste
Mehr als sonst war die Budapester Pride, die in diesem Jahr unter dem Motto "Claim back your future" stattfand, auch ein politischer Protest. Überall waren Transparente und T-Shirts zu sehen, die die rechtsnationalistische Regierung von Ungarns Premierminister Viktor Orbán kritisieren. Ein Teilnehmer trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wenn ich heute getötet werde, klebt mein Blut an den Händen des Fidesz".
Der Fidesz ist Orbáns Regierungspartei. Die hatte, gemeinsam mit der rechtskonservativen Oppositionspartei Jobbik im Juni ein Gesetz verabschiedet, das unter anderem das "Darstellen und Bewerben" von Homosexualität gegenüber Minderjährigen verbietet. Das Gesetz sorgte weltweit für Empörung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte es eine "Schande".
Wenig später leitete die EU wegen des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Viktor Orbán kündigte daraufhin ein Referendum bezüglich des Gesetzes an und rief alle Ungarn dazu auf, in seinem Sinne abzustimmen.
Protest gegen Orbáns Anti-LGBTQ-Politik
Auch für Hanna Horányi war die Teilnahme am Pride March eine Form des Protests gegen die Orbán-Regierung. "Ich bin heute hier, um als heterosexuelle Person meine Unterstützung zu zeigen", so die 22-Jährige gegenüber der DW. "Ich will Diversität feiern, vor allem vor dem Hintergrund des jüngsten Gesetzes". Gergö Békany, 31 Jahre alt und mit Regenbogen-Cowboyhut unterwegs, hat den Pride March jahrelang selbst mitorganisiert. Er sieht es aufgrund der Anti-LGBTQ-Rhetorik der Orbán-Regierung als "Pflicht" dort zu sein, sagt er der DW. "Diese Regierung findet immer neue Sündenböcke. Gerade ist es vor allem die LGBTQ-Community", so Békany.
Der immer schärfer werdende Ton seitens der Fidesz-Regierung macht Virag Fehér Angst. "Meine Mutter hat mich von Anfang an unterstützt", sagt die 21-Jährige, die selbst homosexuell ist, der DW. "Aber die Stimmung im Land wird immer aggressiver". Immer mehr LGBTQ-Menschen verlassen deshalb nun das Land. "Ich ziehe das definitiv auch in Erwägung", sagt Gergö Békany. "Aber ich habe auch Glück. Ich kann Fremdsprachen sprechen, hatte eine gute Bildung. Für andere ist es viel schwieriger".
Breite internationale Unterstützung
An der Seite tausender Ungarn marschierten auch viele ausländische Teilnehmer, um sich solidarisch zu zeigen. Die Botschaften von 30 Ländern weltweit, darunter Deutschland, Belgien und den USA, sowie zahlreiche Kulturinstitute hatten sich in einem offenen Brief für die LGBTQ-Menschen in Ungarn stark gemacht. Man sei "besorgt angesichts jüngster Entwicklungen, die das Prinzip der Nicht-Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität bedrohen", heißt es in dem Brief.
Die Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke war eine von vielen ausländischen Gästen in Budapest. Bei ihrer Rede auf dem Pride March rief sie die Teilnehmer auf: "Lasst uns heute mit erhobenem Kopf durch die Straßen von Budapest gehen und unser Leben feiern. Lasst uns feiern, wer wir sind und wen wir lieben".
Die Orbán Regierung hatte sich zuvor von der Veranstaltung distanziert. Zwischen Fidesz und den Teilnehmern der Pride gebe es "keine gemeinsame Schnittmenge", hatte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás am vergangenen Donnerstag betont.