Bundesliga-Titelkampf spannend wie selten
17. Januar 2020Zwar steht RB Leipzig an der Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga, doch in aller Munde ist der Herbstmeister nicht. Da liegt wie immer Rekordmeister Bayern München weit vorn. Und egal ob man sich bei den sogenannten Experten umhört, die Zahlen der Wettanbieter analysiert oder einfach nur an der Theke die Ohren spitzt, der Tenor vor dem Start der Rückrunde ist immer gleich: Meister werden am Ende doch die Bayern!
Doch haben die Münchener wirklich das Zeug dazu, ihren achten nationalen Titel in Folge zu holen? Oder sind die Roten Bullen aus Leipzig schon gut genug, um sich nicht mehr einholen zu lassen? Wie haben die 18 Mannschaften die Winterpause genutzt, wie sind sie vor dem Rückrundenstart drauf?
Die Top-Vier
RB Leipzig: In puncto Formcheck sind Testspiele bekanntermaßen nur ein grober Anhaltspunkt, mehr nicht. Der Herbstmeister aus Sachsen testete auch nur einmal, und das unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Es gab einen 2:0-Sieg gegen den Zweitligisten Osnabrück. Der Abgang von Co-Kapitän Diego Demme nach Neapel kam überraschend, scheint aber verkraftbar. Der Schuh drückt eher in der Abwehr, da Willi Orban und Ibrahima Konaté noch länger ausfallen. Wunschkandidat Benjamin Henrichs ist noch zu teuer und bei Monaco plötzlich Stammkraft.
Borussia Mönchengladbach: Nach einer intensiven Trainingswoche in Andalusien mit einem Testspiel gegen Almelo (1:3) und einem Doppeltest gegen den Ligakonkurrenten Freiburg (2:1, 2:1) glauben sich die Borussen gut gerüstet und gehen optimistisch in die Rückrunde. Verletzungssorgen gibt es kaum, und da die Mannschaft aus allen anderen Wettbewerben ausgeschieden ist, kann sie sich voll auf die Meisterschaft konzentrieren. Die Auftaktpleite gegen Schalke ist allerdings ein Dämpfer.
FC Bayern München: Besonders wegen einiger Ausfälle wird der geplante Titelangriff eine große Herausforderung für den Serienmeister. Die 2:5-Pleite im Test gegen Zweitligist Nürnberg war ein Warnsignal zur rechten Zeit. Nach der erfolgreichen Aufholjagd gegen den BVB im Vorjahr sind die Bayern auch diesmal heiß auf die Schale. Doch so viel Arbeit wie diesmal hatten die Münchener zum Wiederbeginn schon lange nicht mehr vor sich.
Borussia Dortmund: In den Testspielen gegen Lüttich (0:0), Rotterdam (4:2) und Mainz (0:2) blieben viele Wünsche offen. Doch konnte der BVB in seiner Vorbereitung auch nicht Vollgas geben: Mit Marco Reus, Thorgan Hazard, Paco Alcacer, Jacob Bruun Larsen und Neuzugang Erling Haaland konnte ein Großteil der Offensive im Trainingslager in Marbella in Spanien nur dosiert trainieren. Sind alle fit, haben Trainer Lucien Favre und sein Dortmunder Team das Potential zum Titelgewinn.
Die Europapokal-Anwärter
FC Schalke 04: Die Vorbereitung der Königsblauen wurde vor allem durch die Bekanntgabe des Wechsels von Torhüter Alexander Nübel im kommenden Sommer zum FC Bayern kurzfristig gestört. Das 4:0 im letzten Testspiel beim Zweitligisten HSV macht den Schalkern Mut. Allerdings bleibt die Personaldecke in der Abwehr wegen der Langzeit-Ausfälle von Benjamin Stambouli und Salif Sané dünn. Konkurrenzfähig im Kampf um ein Europa-Ticket ist das Team von Trainer David Wagner aber allemal - und der Heimsieg gegen Mönchengladbach schürt weiter Hoffnungen.
Bayer 04 Leverkusen: Die große Hoffnung heißt Kai Havertz. Mit großer Unterstützung und neuem Selbstvertrauen soll der 20-Jährige eine bessere Rückrunde spielen. In der Hinrunde hatte Havertz enttäuscht. Auch von Kerem Demirbay wird eine Leistungssteigerung erwartet. Neuzugang Exequiel Palacios muss sich noch gedulden: Der Mittelfeldspieler aus Argentinien ist für drei Spiele gesperrt. Die Champions-League-Teilnahme ist das Ziel der Werkself. Um es zu erreichen, muss Trainer Peter Bosz vor allem dafür sorgen, dass sich die Mannschaft nicht wieder selbst im Weg steht.
TSG 1899 Hoffenheim: In der Vorbereitung in Marbella setzte es Niederlagen gegen die niederländischen Klubs Feyenoord Rotterdam (2:3) und ADO Den Haag (1:2). Torhüter Oliver Baumann ist verletzt, Ex-Kapitän Kevin Vogt wurde nach Bremen verliehen - vor allem hinten müssen sich die Hoffenheimer also sortieren. Vorne soll Wintertransfer Munas Dabbur aus Israel helfen. Vor der Rückrunde steht hinter der TSG ein dickes Fragezeichen.
SC Freiburg: Die beiden Testspiele gegen Borussia Mönchengladbach im Trainingslager in Soto Grande in Spanien verlor der Sport-Club. Trainer Christian Streich war nicht zufrieden mit der Leistung seiner Profis. Vor allem das Fehlen des zum Rückrundenstart gesperrten Nicolas Höfler machte sich negativ bemerkbar. Noch hat die Überraschungsmannschaft der Hinserie die Europa-League-Plätze im Blick. Doch sie könnte sie auch schnell wieder aus den Augen verlieren.
Das Mittelfeld
VfL Wolfsburg: Die "Wölfe" haben sich in der Winterpause offensiv zu ihrem Ziel Europa League bekannt. Allein: Der Eindruck aus den Tests gegen Seoul (1:1) und Genf (1:2) war enttäuschend. "Wir müssen schnell in Schwung kommen", fordert Sportchef Jörg Schmadtke. Für VfL-Trainer Oliver Glasner dürfte es nicht leicht werden, Anspruch und Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
FC Augsburg: Die erfolgreichen letzten Wochen der Hinrunde geben Schwung für die Rückserie. Die Generalprobe beim 3:3 gegen Cercle Brügge verlief nicht ideal, doch das war eben nur ein Test. Motivation für die Rückrunde könnte die Vertragsverlängerung von Kapitän Daniel Baier um ein weiteres Jahr bringen. Für den Klassenerhalt sollte es in dieser Saison jedenfalls reichen.
1. FC Union Berlin: Grundsätzlich stimmt die Form des überraschend starken Aufsteigers. In den drei Tests im Trainingslager in Campoamor in Spanien gab es zwei Siege und ein Unentschieden. Die sonst starke Abwehr mit Keven Schlotterbeck und Florian Hübner präsentierte sich ungewohnt löchrig. Der Rückrundenstart verlangt Union gleich alles ab: Es geht zum Herbstmeister nach Leipzig.
Die Gefahrenzone
Hertha BSC: Irgendwo fängt sie an, die Gefahrenzone. Bei nur vier Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz steckt die Hertha drinnen - auch wenn die Formkurve unter dem neuen Trainer Jürgen Klinsmann zuletzt stark nach oben verlief. Der Start mit dem pikanten Duell gegen den Klinsmanns früheren Klub FC Bayern und anschließend den Spielen in Wolfsburg und gegen Schalke wird aber schwer. Die Personalplanungen sind dank der Millionen von Investor Lars Windhorst noch nicht abgeschlossen. Die Berliner haben sich viel vorgenommen. Sehr viel. Zu viel?
Eintracht Frankfurt: Die Formkurve der Eintracht zeigte vor der Winterpause deutlich nach unten. Nach nur einem Punkt aus sieben Spielen liegen die Frankfurter drei Punkte vor dem Relegationsplatz. Nun hofft man auf eine Wende und die Rückkehr von Nationaltorwart Kevin Trapp nach seiner Verletzungspause. Überraschend: Trotz des eklatanten Leistungsabfalls hat die Eintracht bisher keine Neuzugänge verpflichtet. Doch Trainer Adi Hütter ist es absolut zuzutrauen, die Hessen wieder in die Spur zu bekommen. Ob es allerdings erneut für Europa reichen wird, ist sehr fraglich.
1. FSV Mainz 05: Die Mainzer holten sich durch den Testspielsieg gegen Borussia Dortmund (2:0) Selbstvertrauen für den Kampf um den Klassenerhalt. Sie setzen auf das vorhandene Personal und die Rückkehr der lange verletzten Stürmer Jean-Philippe Mateta, Dong-won Ji und Abwehrspieler Stefan Bell. Dennoch wird es schwer für das Team von Trainer Achim Beierlorzer, denn im Kampf gegen den Abstieg hat Mainz namhafte Konkurrenz.
1. FC Köln: Der Aufsteiger ist in Sachen Abstiegskampf reich an Erfahrung und wieder auf einem aufsteigenden Ast: In den letzten drei Rückrundenspielen feierten die Kölner drei Siege. In den drei Tests in der Winterpause gegen Charleroi (1:2), Mechelen (2:2) und Genk (1:1) gab es zwar keinen Erfolg, doch FC-Trainer Markus Gisdol zeigte sich mit dem Trainingslager in Benidorm in Spanien zufrieden. Vor allem an der Fitness wurde gearbeitet. Die Neuzugänge Mark Uth und Elvis Rexhbecaj sollen das Niveau heben und dazu beitragen, die Klasse zu halten.
Die Abstiegsränge
Fortuna Düsseldorf: Trainer Friedhelm Funkel und seine Fortuna überwinterten auf dem Relegationsplatz. Im Abstiegskampf bauen sie auf zwei Hoffnungsträger: Neuzugang Steven Skrzybski vom FC Schalke 04 in der Offensive - der Leihspieler traf gleich im ersten Test - und Mittelfeldspieler Kevin Stöger, der nach seinem Kreuzbandriss wieder einsatzbereit ist. Dennoch dürfte es für die Düsseldorfer ein steiniger Weg zum Klassenerhalt werden.
Werder Bremen: Der Absturz auf Platz 17 war im Dezember ein Schock für Werder. Die erhoffte Aufbruchstimmung ist in der Winterpause bislang ausgeblieben. Ein Grund sind die anhaltenden Verletzungsprobleme: Philipp Bargfrede, Ömer Toprak und Michael Lang sind nach wie vor nicht fit. Zudem konnten die Bremer mit Vogt, der aus Hoffenheim kam, bislang erst einen Neuzugang vermelden. Das Auftaktspiel in Düsseldorf ist für die Psyche extrem wichtig, zumal die Hansestädter im Abstiegskampf nicht allzu erfahren sind.
SC Paderborn: Alle schauen auf Frankfurt, Köln oder Werder - und Paderborn kann weiter in Ruhe arbeiten. Das ist ein Vorteil. Nahezu geräuschlos hat der Tabellenletzte seinen Wunsch-Stürmer Dennis Srbeny von Norwich City geholt und das wichtigste Testspiel gegen Hannover (1:0) dominiert. Nur der Weggang des Brasilianers Cauly überraschte während der Vorbereitung. Unter dem Strich bleibt der SC dennoch Abstiegskandidat Nummer eins.