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Bundesliga will Kopfverletzungen besser erkennen

8. August 2019

Der Fußball wird immer dynamischer, das Risiko schwerer Kopfverletzungen steigt. Zur neuen Saison macht die Bundesliga ein neurologisches Screening für alle Spieler zur Pflicht. Doch reicht das aus?

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Bundesliga Relegation Playoff - Union Berlin v VfB Stuttgart
Weiterspielen oder Auswechseln? Die große Frage bei Kopfverletzungen wie bei Stuttgarts Holger Badstuber Bild: picture-alliance/dpa/Pressefoto Baumann

"Stellen sie die Füße so hintereinander, dass sie sich berühren, stemmen sie die Hände in die Hüfte und schließen die Augen. Halten sie jetzt das Gleichgewicht für 20 Sekunden" - solche Kommandos sind neu für viele Bundesliga-Profis. Verschiedene Leistungschecks gehören in der Saisonvorbereitung zwar zur Routine, ab diesem Jahr müssen die Vereinsärzte aber besonderes Augenmerk auf mögliche Kopfverletzungen legen. Die DFL verpflichtet alle Profis zu einem sogenannten Baseline-Screening auf Basis des SCAT-5 Verfahrens. Es handelt sich dabei um eine umfassende Untersuchung, zu der neben dem beschriebenen Balancetest auch ein Check anderer kognitiver Fähigkeiten, wie Merkfähigkeit, Reaktionsverhalten oder räumliche Wahrnehmung gehören. Die Untersuchung ist zwar aufwändig, soll den Ärzten im Ernstfall aber ermöglichen, eine schwere Verletzung besser zu erkennen. 

"In der Tendenz ist das ein guter Schritt", sagt Daniela Golz von der Gesellschaft für Sport-Neuropsychologie, "allerdings halten wir eine über das vereinbarte Verfahren hinausgehende Untersuchung für wichtig." Denn nur so könne die Verletzung und Genesung besser eingeschätzt werden.

DFL hat richtige Schlüsse gezogen 

Fußball sei dabei nur eine der Risikosportarten sagt Katrin Hemschemeier. Am Sportmedizinischen Institut der Universität Paderborn forscht sie mit ihrer Arbeitsgruppe für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft: "In der Bundesliga beobachten wir solche Verletzungen dennoch fast wöchentlich." Fälle wie Stuttgarts Doppel-Turbanträger Holger Badstuber und Ozan Kabak in der Relegation oder der Knock-out von Nürnbergs Torhüter Christian Mathenia sorgen für Schlagzeilen. Der Keeper spielte nach kurzer Bewusstlosigkeit weiter. Auch Hannovers Noah Sarenren Bazee wurde im vergangenen November nach einem heftigen Zusammenstoß mit Gladbachs Matthias Ginter wieder auf den Platz gelassen, bevor er kurze Zeit später wegen starker Übelkeit und Schwindelgefühlen zu Boden sank und doch ausgewechselt wurde. Später stellte man eine schwere Gehirnerschütterung fest.

Bundesliga 1.FC Nürnberg - SV Werder Bremen | Mathenia K. O.
K.o. nach Zusammenprall: Nürnbergs Torhüter Mathenia spielte die Partie gegen Werder noch zu EndeBild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hörmann

"Das ist sehr kritisch zu sehen", meint Werner Krutsch, Verbandsarzt des bayerischen Fußball-Verbandes, "die DFL hat daraus die richtigen Schlüsse gezogen." Unisono begrüßen die Experten die Einführung der Screenings. Auch, weil über die Jahre einen Datensammlung entstehe, die Rückschlüsse auf eventuelle Langzeitfolgen möglich machten, wie Krutsch betont.

UEFA fordert Regeländerungen 

Im Ernstfall auf dem Platz die Entscheidung zu treffen, ob ein Spieler weitermachen kann, bleibt jedoch weiterhin knifflig. "Als Sideline-Test ist das Screening nicht geeignet", stellt Daniela Golz klar, es wäre zu umfangreich. "Da hast Du drei Minuten, die Du für einfache Tests nutzen musst", berichtet Werner Krutsch, zu wenig für eine richtige Diagnose. Ärztliche Erfahrung und die Kenntnis des Spielers sei da hilfreich.

Um es den Mannschaftsärzten leichter zu machen, hat die UEFA in diesem Jahr bei den Regelhütern des Weltfußballverbandes Änderungen angeregt. Zusätzlich zur bereits bestehenden Drei-Minuten-Pause bei Kopfverletzungen könnte es international zum Standard werden, dass die Betreuer im Stadion per Tablet die Möglichkeit haben, sich die entsprechende Spielszene in Zeitlupe anzuschauen. In der Bundesliga und der Premier League ist das bereits etabliert. 

Tottenham Hotspur - FC Liverpool
Wenn sich in Bundesliga oder Premier League ein Spieler den Kopf stößt, können die Ärzte sich die Zeitlupe anschauenBild: picture-alliance/J. Stolkes

"Das ist ein enormer Vorteil, um den Verletzungsmechanismus besser einschätzen zu können", erzählt Hemschemeier aus eigener Erfahrung, "aus der Entfernung von der Seitenlinie aus ist das extrem schwierig." Darüberhinaus denkbar, aber noch nicht in der Diskussion, wäre die Möglichkeit einer vorübergehenden Auswechslung des Spielers und den Einsatz neutraler Ärzte.  

Weitere Tests in Entwicklung

Die Bundesliga-Kicker profitieren vor allem dann von den neuen Screenings, wenn im Anschluss des Spiels tatsächlich eine Gehirnerschütterung oder Schlimmeres festgestellt wird. Denn die Screening-Werte erleichtern laut Hemschemeier und Krutsch die genaue Diagnose, die Genesung kann leichter überwacht und der Wiedereinstieg in den Spielbetrieb besser gesteuert werden.

"Vorbild sind da die amerikanischen Profiligen NFL, NHL und NBA", erläutert Hemschemeier. "Die haben neben den Baseline-Untersuchungen auch Protokolle [Anmerkung der Redaktion: eine Abfolge bestimmter Tests] für Diagnose und das "Return-to-Play" der Spieler speziell für die jeweilige Sportart entwickelt. Da müssen wir auch hinkommen." Weitere Tests, die die Diagnostik in den nächsten Jahren sportartspezifischer, schneller und genauer machen könnten, seien in der Entwicklung. Einige dieser Tests wären zudem für die Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung geeignet und könnten so zu größerer Akzeptanz bei Trainern und Spielern führen.

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor