"Böll und Kopelew wären entsetzt"
22. April 2018"'Nie wieder!', das ist die Mahnung, die Böll und Kopelew uns hinterlassen haben", sagte Steinmeier in seiner Rede in der Villa Hammerschmidt in Bonn. Lange habe es so ausgesehen, als hätten die Menschen in Europa diese Mahnung verinnerlicht. "Doch inzwischen müssen wir uns die Frage stellen, wie nachhaltig die historische Lektion ist, von der wir glaubten, dass Europa sie ein für alle Mal gelernt hat", so der Bundespräsident.
"Erneute Spaltung Europas eine reale Gefahr"
Die beiden miteinander befreundeten Schriftsteller Heinrich Böll (1917-1985) und Lew Kopelew (1912-1997) wären empört, wenn sie wüssten, "dass der Traum vom gemeinsamen europäischen Haus schon ausgeträumt ist, bevor das Fundament gegossen wurde", so Steinmeier weiter. "Sie wären entsetzt, wüssten sie, dass die erneute Spaltung Europas eine reale Gefahr ist."
Heinrich Böll war einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsgeschichte und erhielt zahlreiche Preise, darunter 1972 den Literaturnobelpreis. Er mischte sich stets auch in gesellschaftliche Debatten seiner Zeit ein.
1962 lernte er in Moskau den russischen Germanisten und Humanisten Lew Kopelew kennen. Bis zu Bölls Tod verband beide eine enge Freundschaft. Der deutsche und der russische Schriftsteller, die beide Krieg und Faschismus erlebten, galten als moralische Instanzen.
Kunst und Literatur: Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten
Der Bundespräsident hob die Funktion von Kunst und Literatur hervor, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Das Beispiel von Persönlichkeiten wie Böll und Kopelew mit all ihren Erfahrungen und Konsequenzen könne auch heute helfen, Antworten zu finden - in einer Zeit, in der Gewissheiten infrage gestellt würden: "Es kann uns Orientierung geben, wenn Fakten nichts mehr gelten sollen, wenn die Gesellschaft droht, in unversöhnliche Lager zu zerfallen."
nf/hf (epd, bundespraesident.de)