Bundespräsident sucht Wege aus der Blockade
21. November 2017Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kam im Schloss Bellevue zunächst mit den Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir zu einer knapp einstündigen Unterredung zusammen. Später sprach er dann mit FDP-Chef Christian Lindner. Konkretes wurde nach beiden Treffen nicht mitgeteilt. Am Mittwoch trifft das deutsche Staatsoberhaupt dann den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, am Donnerstag SPD-Chef Martin Schulz. Steinmeier wird in den kommenden Tagen zudem mit den Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht konferieren.
Am Vortag hatte Steinmeier bereits ein Gespräch mit der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Danach hatte er gesagt, dies sei der Moment, in dem alle Beteiligten noch einmal innehalten und ihre Haltung überdenken müssten. Zudem hatte sich Steinmeier skeptisch über Neuwahlen geäußert. Die Verantwortung zur Regierungsbildung könne man nicht einfach an die Wähler zurückgeben. Steinmeier könnte Neuwahlen ansetzen, falls der Bundestag Merkel - oder einen anderen Kandidaten - nur mit einfacher Mehrheit zum Kanzler wählen würde. Er könnte Merkel dann aber auch zur Chefin einer Minderheitsregierung ernennen.
Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble forderte weitere Gespräche für eine Regierungsbildung. Zum Wählerauftrag gehöre auch der Auftrag, Mehrheiten zu bilden und eine handlungsfähige Regierung zu ermöglichen, sagte Schäuble zur Eröffnung der ersten regulären Bundestagssitzung in dieser Wahlperiode in Berlin. Der Parlamentspräsident sprach von einer "Bewährungsprobe". Es sei aber keine Staatskrise, ergänzte er.
"Demokratie braucht tragfähige Mehrheiten"
Schäuble sagte, alle stünden unter dem Eindruck der am Sonntag ergebnislos abgebrochenen Sondierungsgespräche. Die FDP hatte die Verhandlungen ihrerseits beendet. Mit dem Scheitern der Gespräche werde klarer, dass es im Parlament schwieriger werde, Mehrheiten zu bekommen, sagte Schäuble. "Aber Demokratie braucht Mehrheiten." Der Wunsch nach einer stabilen Ordnung verlange zudem "tragfähige Mehrheiten". Unterschiedliche Meinungen könnten dazu führen, dass Parteien zu dem Schluss kommen, sich nicht auf ein Bündnis einzulassen. Das müsse aber auch schlüssig erklärt werden, damit nicht der Eindruck entstehe, man wolle sich aus der Verantwortung ziehen, sagte Schäuble.
"Klar ist, dass regiert werden muss", so Schäuble weiter. Kompromisse und Mehrheitsentscheidungen gingen aber nicht im Hauruckverfahren. Auch die Öffentlichkeit solle Verständnis für die Komplexität der Aufgabe haben. "Es braucht also Verständnis für die schwierige Gratwanderung, die es für alle bedeutet, die politische Verantwortung zu tragen, für mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken", so Schäuble. "Das ist kein Umfallen, auch keine Profilschwäche." Einigung durch Nachgeben erfordere Mut.
Grünen-Politiker für Neuwahlen - oder große Koalition
Die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, gibt einer Jamaika-Koalition mit CDU, CSU und Liberalen keine Chance mehr. Die Verhandlungsführerin der Grünen sagte dem MDR, Lindner habe deutlich gemacht, dass es da keinerlei Bewegungsspielraum mehr gebe. Auch eine schwarz-grüne Minderheitsregierung hält Göring-Eckardt für unwahrscheinlich. "Das Wahrscheinlichste scheinen mir, Neuwahlen zu sein."
Dagegen plädierte der schleswig-holsteinische Grünen-Umweltminister Robert Habeck für die Bildung einer großen Koalition aus Unionsparteien und SPD. Habeck wörtlich: "Ich schäme mich selber, dass ich sage: lieber eine große Koalition als Neuwahlen". Diese seien aber "ein ganz klägliches Zeichen, dass wir es nicht hinkriegen, eine Regierung zu bilden, mit dem Votum der Menschen vernünftig umzugehen."
FDP-Chef Lindner wendet sich an die Basis
FDP-Chef Lindner warb in einem Brief an die Parteibasis um Verständnis für den Abbruch der Gespräche über eine Jamaika-Koalition. Auf dem Verhandlungstisch habe am Ende im Wesentlichen "ein ambitionsloses 'Weiter so' auf dem Kurs der großen Koalition" gelegen, gespickt mit zahlreichen Wünschen der Grünen. "Dafür können und wollen wir nicht zur Verfügung stehen", schrieb Lindner. Zudem habe sich gezeigt, "dass die vier Partner keine gemeinsame Idee zur Gestaltung des Landes und keine gemeinsame Vertrauensbasis erreichen konnten".
sti/uh (afp, dpa, epd, rtr)