Der Wehretat wächst und wächst
4. Juli 2018Von den Brandbriefen des US-Präsidenten ließ sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht irritieren: Sichtlich zufrieden verfolgte sie im Bundestag die Debatte über den Verteidigungshaushalt, der in diesem Jahr um zwei Milliarden Euro auf knapp 39 Milliarden Euro steigen wird. 2019 kommen noch einmal fast vier Milliarden Euro dazu. Damit bekommt von der Leyen das Geld, das sie für die Instandsetzung der maroden Ausrüstung der Bundeswehr reklamiert hat.
Vorausgegangen waren wochenlange Diskussionen mit SPD-Finanzminister Olaf Scholz, dem Hüter der "Schwarzen Null". Es sei "ein guter Haushalt", sagte von der Leyen, aber die Bundeswehr sei noch lange nicht am Ziel. "Denn 25 Jahre Kürzen schüttelt man nicht in zwei, drei Jahren aus den Kleidern."
"Licht nicht unter den Scheffel stellen"
Dass Deutschland trotz dieses Anstiegs nicht, wie von Donald Trump vehement gefordert, mindestens zwei, sondern in diesem Jahr "nur" 1,24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fürs Militär ausgibt, ist für die Verteidigungsministerin allerdings kein Grund für Selbstzweifel. Entscheidend sei nicht allein die Höhe des Verteidigungsbudgets, sondern es komme auch auf die Beiträge an, die jedes einzelne Land der NATO zur Verfügung stelle.
"Und hier muss Deutschland sein Licht nicht unter den Scheffel stellen", so von der Leyen. Nach ihren Angaben ist Deutschland der zweitgrößte Truppensteller und der zweitgrößte Nettozahler in der NATO. Im Lichte der Forderungen, die Donald Trump vor dem NATO-Gipfel in Mahnbriefen formuliert hat, erklärte sie: "Wir können uns selbstbewusst hinstellen und sagen, Deutschland trägt Verantwortung."
"Stehen zum Zwei-Prozent-Ziel"
Grundsätzlich, betonte von der Leyen, stehe die Bundesregierung "ganz klar" zum Zwei-Prozent-Ziel, das 2014 von den NATO-Partnern vereinbart wurde. Bis zum Jahr 2024 werde Deutschland diese Zielmarke allerdings nicht erreichen. Geplant sei, den Verteidigungshaushalt bis zum Jahr 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.
Diese Zahl will die Bundesregierung beim NATO-Gipfel in Brüssel in der kommenden Woche präsentieren. Der Gipfel wird vom Streit über die Verteidigungsausgaben zwischen den USA und den europäischen Verbündeten belastet. Der US-Präsident hält insbesondere Deutschland vor, die NATO durch zu geringe Verteidigungsausgaben zu schwächen.
Unerreichbare Vorgaben?
Das Vorhaben, den Verteidigungshaushalt auf 1,5 Prozent des BIP zu steigern, stieß im Bundestag auf Kritik - sogar bei den mitregierenden Sozialdemokraten: Für die Soldaten zähle eine gute Ausrüstung mehr, "als blind irgendwelchen Prozentzielen nachzujagen", betonte der SPD-Verteidigungspolitiker Thomas Hitschler. Grundsätzlich sei es aber richtig, wenn die Bundesregierung mehr Geld fürs Militär ausgebe, um auf die veränderte Sicherheitslage zu reagieren. Die Landes- und Bündnisverteidigung gewinne wieder an Gewicht.
Scharfe Kritik kam von der Opposition. "Sie betreiben im Windschatten Trumps eine Aufrüstungspolitik", kritisierte Tobias Pflüger, der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion. Wolle die Bundesregierung im Jahr 2024 tatsächlich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär ausgeben, zitierte Pflüger eine Berechnung, müsse der Verteidigungshaushalt auf 60 Milliarden Euro steigen (2018: Knapp 39 Milliarden Euro). Das sei eine viel zu hohe Summe.
"Ein wahnwitziger Indikator"
Auch der Grüne Tobias Lindner äußerte Zweifel daran, dass das Verteidigungsbudget so rasant in die Höhe schnellen werde. "Das 1,5- oder das Zwei-Prozent-Ziel ist ein wahnwitziger Indikator, um eine vernünftige Aufteilung der finanziellen Lasten in einem Bündnis zu messen." Deshalb solle die Bundesregierung klar und deutlich sagen, dass sie davon nichts halte, forderte Lindner, der sowohl im Haushalts- als auch im Verteidigungsausschuss des Bundestags sitzt. Grüne und Linke stimmten gegen den Haushalt, der auch die von ihnen abgelehnte Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen für die Bundeswehr vorsieht.
Die AfD beklagte, dass das Verteidigungsbudget trotz der Zuwächse noch viel zu gering sei. "Mit diesem Betrag gelingt es nicht einmal, den Verfall unserer Bundeswehr aufzuhalten", betonte Rüdiger Lucassen, der verteidigungspolitische Sprecher der größten Oppositionsfraktion. Seiner Meinung nach werde eine Steigerung des Verteidigungshaushalts auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2024 nicht funktionieren. Das führe zu Zerwürfnissen in der NATO, kritisierte Lucassen, "weil die Bundesregierung ihre Partner anlügt und ihren Verpflichtungen nicht nachkommt".