Puigdemont: "Ich schade Europa nicht!"
25. Juli 2018Das sitzt er nun, Carles Puigdemont, immer noch der Führer der Separatisten der Katalanen. Wenn auch im Exil quasi. Jetzt ist er in die Bundespressekonferenz im Herzen Berlins gekommen, wo sonst Minister und Kanzlerinnen den Journalisten Rede und Antwort stehen. Und ist voll des Lobes für Deutschland, dem Land, in dem er seit vier Monaten lebt. Noch bis zu diesem Samstag jedenfalls: "Dann werde ich mit meiner Familie, die schon hier in Berlin ist, nach Brüssel zurückkehren."
Sogar Dank an Gefängnis-Wärter
Dort, in der belgischen Metropole, hatte die abenteuerliche Reise des Verfechters der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien im Herbst letzten Jahres begonnen. Zuvor war das von ihm organisierte Referendum über die Unabhängigkeit in Spanien für verfassungswidrig erklärt worden, Puigdemont setzte sich ab, zunächst nach Brüssel. Später reiste er über Finnland und Dänemark nach Deutschland, wo er festgenommen wurde, weil es einen von Spanien angestrengten Haftbefehl gab. Wenige Tage später kam er unter Auflagen frei und hielt sich seitdem in Berlin auf. Jetzt will er seine Verbundenheit an die Gastgeber ausdrücken. "Vielen Dank und guten Morgen", sagt er auf Deutsch. Und lobt alle Menschen, die ihn "mit Respekt" behandelt hätten, sogar die Mitarbeiter des Gefängnisses in Neumünster in Schleswig-Holstein.
In Brüssel erst einmal vor Verfolgung sicher
Nach langen juristischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Spanien hatte das Oberlandesgericht in Schleswig im Norden Deutschlands zuletzt eine Auslieferung nur wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern zugelassen. Das aber reichte den spanischen Behörden nicht, die Puigdemont wegen Rebellion anklagen wollen. Das oberste Gericht in Madrid verzichtete unter diesen Bedingungen auf eine Auslieferung. Mit anderen Worten: Solange er spanischen Boden nicht betritt, ist er vor Verfolgung sicher.
"Ich habe ein Mandat meiner Regierung!"
Was tut er demnächst in Brüssel? "Ich werde meine politische Arbeit wieder aufnehmen. Ich habe ein Mandat von meiner Regierung!" Was das heißt, wird nicht ganz klar. Offen ist Puigdemont für Gespräche auch mit Vertretern Spaniens, sagt er. Tatsächlich hatte sich der Katalonien-Konflikt in Spanien zuletzt zumindest etwas entspannt. Der neue sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der den konservativen Vorgänger Mariano Rajoy Anfang Juni mit einem Misstrauensvotum zu Fall brachte, nahm jüngst Verhandlungen mit dem separatistischen Regionalchef Quim Torra auf. Torra bezeichnet Puigdemont weiterhin als den legitimen Regionalpräsidenten und beharrt auch auf dem Recht zur Selbstbestimmung Kataloniens. Was die Person Puigdemont angeht, sieht das auch die neue spanische Regierung allerdings ganz anders.
Hilfe aus Russland? "Alles Fake-News"!
Mit der gelben Schleife, dem Zeichen der Unabhängigkeit Kataloniens am Revers, beantwortet Puigdemont geduldig alle Fragen, auch die brisanten: Wird seine Unabhängigkeitsbewegung vom russischen Präsidenten Putin propagandistisch unterstützt? Alles "Fake-News", sagt Puigdemont. "Es gibt nicht ein einzige konkretes Zeichen dafür, dass das der Wahrheit entspricht." Würde die Wirtschaft im ökonomisch starken Katalonien nicht leiden unter der Unabhängigkeit? "Die Exportzahlen sind im Rekordbereich, die sind höher denn je. Auch die Zahl von ausländischen Investoren ist gestiegen. Die katalanische Wirtschaft ist stabil und aktiv. Und jeder weiß, eine unabhängige Wirtschaft ist durchaus machbar."
"Ich schade Europa nicht!"
Und wenn der US-Rechtspopulist Steve Bannon, der ehemalige Berater von Präsident Donald Trump, demnächst wie angedacht eine Denkfabrik in Brüssel aufbaut, um Europa zu schaden, wäre es dann nicht an der Zeit, dass die EU-Staaten zusammenhalten und sich nicht weiter streiten? Gerade das Europa der Regionen sei doch stark, erwidert Puigdemont. Er sei immer ein Befürworter Europas gewesen.
Dann ergreift nochmal sein deutscher Anwalt das Wort, Wolfgang Schomburg, früherer Bundesrichter in Karlsruhe, ein Experte für internationales Strafrecht. Er zeigt sich erfreut, dass das deutsche Gericht seinen Mandanten eben nicht wegen Rebellion ausgeliefert habe: "Das bleibt, das hier drauf hingewiesen wurde, dass das Strafrecht politische Konflikte nicht lösen kann."
Rückkehr nach Barcelona vorerst nicht möglich
Dann verlässt der umstrittene Separatistenführer den Saal, wird draußen auf der Straße von Anhängern noch mit "Präsident, Präsident"- Rufen empfangen. Nach Barcelona aber wird er sicher vorerst kaum zurückkehren können: Puigdemont könnte gegebenenfalls erst in 20 Jahren in die Heimat unbehelligt zurückkehren. So lange dauert es nämlich, bis das Delikt der Rebellion verjährt, für das es in Spanien bis zu 30 Jahre Haft gibt.