Chaos im Südsudan spitzt sich zu
25. Dezember 2013Seit über einer Woche tobt ein blutiger Machtkampf im jüngsten Staat der Erde - dem Südsudan. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Unruhen in dem afrikanischen Land Tausende Menschen getötet. Die Vereinten Nationen berichten von willkürlichen Festnahmen, Vergewaltigungen und der Flucht von über 80.000 Menschen. Allein in einem UN-Lager in Südsudans Hauptstadt Juba suchen derzeit mehr als 20.000 Flüchtlinge Schutz vor der Gewalt. Doch es fehlt an allem. Die Menschen leben in provisorischen Zelten aus Stöcken und Tüchern. Nur eins gibt es reichlich: Angst. "Wenn die Situation in meiner Heimatstadt so bleibt, kann ich nicht zurück", klagt ein Flüchtling.
Angst vor Bürgerkrieg
Der Konflikt könnte sich zu einem Bürgerkrieg ausweiten. "Es hat sich von einem politischen Konflikt in ein ethnisch motiviertes Töten verwandelt", warnt die DW-Korrespondentin Hannah McNeish in Juba. Deswegen beschloss der UN-Sicherheitsrat am Dienstag (24.12.2013), die Zahl der Soldaten im Südsudan von derzeit 7.000 auf 12.500 zu erhöhen. "Die wichtigste Aufgabe der Soldaten ist es, Zivilisten zu schützen", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach der Abstimmung in New York. Außerdem soll die Anzahl der Polizisten von 900 auf 1.300 aufgestockt werden. "Es ist gut, dass die UN größere Präsenz zeigt", sagt Marina Peter von der Menschenrechtsorganisation Sudan Focal Point im DW-Gespräch. "Doch langfristig wird sie nicht viel ausrichten können, besonders dann nicht, wenn es weiter eskaliert."
Die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" begrüßte die Aufstockung der Truppen. Doch nun müssten die UN-Soldaten ihr Mandat, Zivilisten zu beschützen, erfüllen, fordert Vize-Regionaldirektorin Sarah Jackson. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hält die Aufstockung für den richtigen Schritt: "Wir müssen jetzt verhindern, dass aus den Kämpfen ein ethnisch motivierter Bürgerkrieg wird, der das ganze Land erfasst."
Konflikt zwischen Volksgruppen
Hintergrund des Konflikts ist eine Auseinandersetzung zwischen den Anhängern von Präsident Salva Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter Riek Machar. Die beiden hatten lange gemeinsam für die Unabhängigkeit des Südsudan gekämpft.
Kiir und Machar stammen aus verschiedenen Volksgruppen. Salva Kiir ist Dinka. Die größte Volksgruppe des Südsudan dominiert die Regierungspartei und die frühere Rebellentruppe SPLM. Sein Rivale Riek Machar gehört der verfeindeten Gruppe der Nuer an.
Der ehemalige südsudanesische Kulturstaatssekretär Jok Madut Jok sagte, das Verhältnis der beiden sei schon länger von Schweigen und Misstrauen geprägt gewesen. Kiir hatte Machar sowie alle anderen Minister seines Kabinetts im Sommer wegen Korruptionsvorwürfen entlassen. Die Spannungen wurden dadurch erheblich verschärft. "Die Tragik ist, dass es jetzt aussieht, als wäre es ein Konflikt zwischen zwei alten Männern, die beide an der Macht bleiben wollen, aber in Wirklichkeit liegen die Probleme tiefer", sagt Sudan-Expertin Marina Peter.
Instabile Region
Denn der Südsudan ist erst seit 2011 ein eigener Staat. Damals spaltete sich das Land mit 10,8 Millionen Einwohnern vom Sudan ab. Die Menschen haben seitdem auf Frieden gehofft - jedoch vergeblich, sagt Peter. Immer wieder flammten Konflikte zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen auf. Hinzu kommen viele ungelöste Probleme und eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung: Denn trotz hoher Ölvorkommen lebt ein Großteil der Menschen in bitterer Armut, die meisten von ihnen können weder lesen noch schreiben.
Eine Lösung des Konflikts ist nicht nur für den Südsudan und seine Menschen von großer Bedeutung. Auch die Region ist in Gefahr, denn das Land liegt an strategisch wichtiger Stelle. Weitere instabile Staaten grenzen an, wie etwa die Zentralafrikanische Republik, die gerade von Kämpfen zwischen Muslimen und Christen erschüttert wird. Für Uganda und Kenia, so Peter, sei der Südsudan zudem wichtigster Handelspartner. "Wenn dieser Krieg weiter geht, kann es ganz schnell passieren, dass die ganze Region in Flammen steht", befürchtet die Südsudan-Expertin.