China: Corona-Infizierte dürfen gar arbeiten
21. Dezember 2022In China dürfen Infizierte, die nur milde oder gar keine COVID-19-Symptome haben, vielerorts nun auch an den Arbeitsplatz zurück. Die parteinahe Zeitung "Global Times" nennt unter anderen Millionenmetropolen Chongqing und Guiyang im Südwesten oder Wuhu in der Provinz Anhui und die 57 Millionen Einwohner zählende ostchinesische Provinz Zhejiang. Das Blatt begründet die Entscheidung der Regierung kryptisch mit einer "besseren Balance zwischen epidemischer Vorbeugung und sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung".
In der 4,5-Millionen-Metropole Guiyang wurden die Beschäftigten von Supermärkten, Lieferdiensten, Behörden, medizinischen Einrichtungen und anderen Institutionen angewiesen, mit angemessenem Schutz arbeiten zu gehen, wenn sie keine oder nur leichte Krankheitserscheinungen zeigen und ihr Gesundheitszustand es zulässt, wie die "Global Times" weiter schreibt.
Mitten in einem neuen massiven Corona-Ausbruch hatte das bevölkerungsreichste Land der Welt nach fast drei Jahren mit Lockdowns, der wochenlangen Abriegelung ganzer Städte, Zwangsquarantäne, Massentests und Kontaktverfolgung seine harte Null-Toleranz-Politik am 7. Dezember plötzlich aufgehoben. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen. Die bis dahin ergriffenen Maßnahmen erwiesen sich allerdings auch als immer weniger wirksam. Zudem war bei Protesten gegen die Corona-Politik der Staatsführung erstmals auch der Sturz von Präsident Xi Jinping gefordert worden - ein in China zuvor unerhörter Vorgang.
Gigantische Corona-Welle befürchtet
International wächst jetzt allerdings die Sorge vor einer gigantischen Corona-Welle mit zahllosen Infizierten und Toten in der Volksrepublik mit seinen 1,4 Milliarden Menschen - nicht zuletzt wegen möglicher Auswirkungen auf Wirtschaft und Handel. Denn die Lockerungsmaßnahmen der Regierung trafen das Gesundheitssystem völlig unvorbereitet. Es waren keine Vorräte an Medikamenten angelegt worden. Fieber- und Erkältungsmedizin oder Corona-Schnelltests waren sofort nach der Lockerung
ausverkauft. Städte im ganzen Land arbeiten unter Hochdruck daran, zusätzliche Klinik-Betten und weitere Behandlungskapazitäten zu schaffen. In Peking kommen die Krematorien inzwischen mit der Einäscherung der Toten nicht mehr nach. Offizielle Zahlen zur Infektionslage gibt es nicht mehr, aber allein von den 21 Millionen Pekingern ist nach groben Schätzungen mehr als jeder Zweite erkrankt.
Experten verweisen darauf, dass eine großflächige COVID-19-Ausbreitung in China zu weiteren, gefährlichen Mutationen des Virus führen könnte. Die Krankenhäuser nehmen derzeit viele frisch Infizierte auf, die nicht geimpft sind. Viele der 260 Millionen älteren Menschen über 60 Jahre sind unzureichend geschützt: Nur 70 Prozent der mehr als 60-Jährigen und 40 Prozent der Menschen über 80 Jahre haben eine Booster-Spritze in China bekommen. Moderne ausländische Impfstoffe sind aus
politischen Gründen nicht zugelassen.
"Jede neue Epidemiewelle in einem anderen Land birgt das Risiko neuer Varianten, und dieses Risiko ist umso höher, je größer der Ausbruch ist", umschreibt Alex Cook, Experte für öffentliche Gesundheit an der National University of Singapore, die Gefahren der Öffnung auch für die Weltgemeinschaft. "Und die derzeitige Welle in China hat das Zeug dazu, groß zu werden." Allerdings müsse China unweigerlich eine große Corona-Welle durchmachen, wenn es einen endemischen Zustand seiner Bevölkerung und eine Zukunft ohne Abriegelungen bei Corona-Ausbrüchen erreichen wolle, erklärte Cook weiter.
se/kle (dpa, rtr, afp)