China: Die fünf größten Baustellen
22. Februar 2016Die Aktienmärkte schlagen Kapriolen, die Währung steht unter Druck, die Verschuldung von Unternehmen steigt rasant. Die Regierung in Peking ist nicht nur mit dem langsamsten Wachstum seit 25 Jahren konfrontiert, sondern muss mehrere Brandherde gleichzeitig löschen. Ein Überblick:
ÜBERKAPAZITÄTEN:
Es ist nach Einschätzung von Ökonomen derzeit das gravierendste Problem der chinesischen Wirtschaft: Praktisch alle wichtigen Industriezweige des Landes leiden unter großen Überkapazitäten. Das bedeutet: Fabriken haben deutlich mehr Produktionsanlagen und Mitarbeiter als sie eigentlich brauchen.
Laut einer am Montag veröffentlichten Studie der Europäische Handelskammer in Peking betrugen etwa die Produktionskapazitäten der Stahlindustrie im Jahr 2014 1,14 Milliarden Tonnen. Produziert wurden allerdings nur 813 Millionen Tonnen, womit die Überkapazitäten der Stahlproduzenten bei 327 Millionen Tonnen lagen. Peking stößt beim Abbau der Überkapazitäten auf großen Widerstand bei Lokalregierungen. Die Angst der Provinzen: Wenn Millionen Menschen ihre Jobs verlieren, könnte das zur Gefahr für die Stabilität werden.
AKTIENMARKT:
Ab Mitte 2014 legte Chinas Leitindex in Shanghai binnen eines Jahres um über 150 Prozent zu, weil sich vor allem Privatleute im Börsenfieber verschuldeten und Aktien auf Pump kauften. Es passierte, was passieren musste: Die Blase platzte und seit den Hochständen im vergangenen Sommer haben sich die Kurse fast halbiert. Experten sagen, Chinas Regierung habe bei der Bewältigung der Krise keine gute Figur gemacht.
Mit Verkaufsverboten für Aktien, erzwungenen Handelspausen und Aktien-Aufkaufprogrammen in Milliardenhöhe versuchte Peking den Kursrutsch zu stoppen, erreichte aber das Gegenteil: Die Verunsicherung nahm weiter zu. Am Wochenende musste deshalb Xiao Gang, der bisherige Chef der Börsenaufsicht, seinen Hut nehmen. Ob das reicht, um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, ist jedoch fraglich.
AUßENHANDEL:
Der Einbruch von Chinas Außenhandel setzt sich ungebremst fort. Die Einfuhren gingen im Januar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,6 Prozent zurück, die Ausfuhren sanken um 6,6 Prozent. Zu schaffen macht Chinas Exporteuren vor allem die schwächelnde Weltwirtschaft, wegen der die Nachfrage nach Produkten aus China sinkt.
Peking versucht, die Wirtschaft auf ein neues Fundament zu stellen: Statt weiter die "Werkbank der Welt" zu sein, sollen die Unternehmen des Landes innovativer werden. Außerdem soll durch einen stärkeren Dienstleistungssektor der Binnenkonsum angekurbelt werden. Diese Reformen brauchen noch Zeit.
WÄHRUNG:
Binnen eines Jahres hat der chinesische Yuan um rund fünf Prozent zum US-Dollar an Wert verloren. Immer mehr Spekulanten wetten darauf, dass dieser Abwärtstrend weiter geht: Der bekannte US-Hedgefonds Kyle Bass prognostizierte etwa Ende Januar, dass Chinas Währung in den kommenden drei Jahren um 40 Prozent einbrechen wird. Ähnliche Töne schlug auch Investorenlegende George Soros an, der eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft "unausweichlich" nannte.
Pekings Zentralbank versuchte zuletzt, den Yuan mit Verkäufen von Teilen seiner gewaltigen Devisenreserven zu stützen. In den vergangenen 12 Monaten schrumpften die Reserven im Rekordtempo um mehr als 500 Milliarden auf nun noch 3,3 Billionen Dollar.
SCHULDEN:
Chinas Verschuldung steigt in einem besorgniserregenden Tempo: Seit 2007 haben sich die Verbindlichkeiten mehr als verdoppelt. Bedenklich sind dabei vor allem die hohen Schulden staatlicher Unternehmen sowie der Provinzregierungen. Die haben sich seit der globalen Finanzkrise 2008 immer weiter verschuldet, um mit Infrastrukturprojekten die Wirtschaft am Laufen zu halten.
Laut Schätzungen von Ökonomen dürfte Chinas Gesamtverschuldung bis 2019 auf einen Wert von 283 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Chinas Banken müssen sich deshalb in den kommenden Jahren auf eine steigende Zahl von Kreditausfällen einstellen.
ul/wen (dpa)