China macht Lateinamerika Geschenke
21. November 2004Staatsempfänge haben es an sich, pompös zu sein. Das ist die Regel. Als der chinesische Präsident Hu Jintao am Dienstag (16.11.) seinen Besuch in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires begann, war alles noch pompöser als sonst. Die argentinische Regierung hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um dem Gast aus China einen außergewöhnlichen Empfang zu bereiten. Ein scheinbar endloser Konvoi aus mindestens 50 edlen Limousinen begleitete den Präsidenten und seine Frau. Kinder standen am Straßenrand, winkten lächelnd und schwenkten chinesische und argentinische Fahnen.
Seit 2001 kämpft Argentinien mit der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seiner Geschichte und endlich hatte Präsident Nestór Kirchner seinem Land einmal eine positive Wirtschaftsnachricht zu verkünden. Über die Neuigkeit wurde schon seit Tagen wild spekuliert: China will in Argentinien in den kommenden zehn Jahren fast 20 Milliarden US-Dollar investieren.
Geld für Infrastruktur
Seit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch konnte Argentinien kaum noch Investoren aus Europa und den USA gewinnen. Laut Financial Times fielen die Direkt-Investitionen in der Region zwischen 2001 und 2003 von 70,5 auf 30,5 Milliarden US-Dollar. China will nun in Telekommunikation und Satellitentechnik investieren. Der Großteil des chinesischen Geldes wird aber in den Ausbau von Infrastruktur gesteckt, für die der schwer verschuldete argentinische Staat derzeit kein Geld aufbringen kann.
Auch Brasilien, wo sich Hu Jintao vor seinem Besuch in Argentinien aufhielt, freut sich auf milliardenschwere Investitionen. Hier wurde die Errichtung einer Erdölpipeline vereinbart sowie der Ausbau von Stahl und Aluminiumwerken, Häfen und Schienenverkehr.
Die Interessen von Lateinamerika und China passen gut zusammen. "China ist vor allem als Abnehmer von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten von erheblicher Bedeutung für lateinamerikanische Länder", sagt Heinz Preusse, Wirtschaftsprofessor an der Universität Tübingen.
Soja, Fleisch und Kupfer für China
Brasilien hat seit 2002 seine Ausfuhren von Stahl nach China auf 5,8 Milliarden Dollar nahezu verdoppelt. Außerdem war China der Hauptabnehmer für brasilianische und argentinische Sojabohnen. "Die höchsten Wachstumsraten könnten für Argentinien künftig vor allem beim Export von Fleisch und Frischobst erreicht werden", sagt Mauro Toldo, Analyst bei der Deka-Bank. Chile profitiert vom Rohstoffhunger Chinas und exportiert große Mengen Kupfer ins Reich der Mitte.
Den wirtschaftlich angeschlagenen Ländern Brasilien und Argentinien würden vor allem die Investitionen in der Infrastruktur zugute kommen, sagt Toldo. So habe es in der jüngsten Vergangenheit in Brasilien beim Transport und der anschließenden Verschiffung von Soja Engpässe wegen mangelnder Infrastruktur gegeben, so Toldo.
So etwas soll durch die Investitionen künftig vermieden werden. Durch die chinesischen Investitionen wird außerdem die Erschließung von Bodenschätzen möglich. So werden beispielsweise vor der patagonischen Küste Argentiniens größere Erdöl- und Erdgasreserven vermutet.
Billigexporte aus China gefürchtet
Allerdings mussten Argentinien und Brasilien für die reichen Geschenke aus Peking auch Opfer bringen: Sie erkannten China den Status als Markwirtschaft an. "Dabei waren diese Länder bisher besonders fleißig, vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen chinesische Billigimporte zu klagen", sagt Thomas Scharping, China-Experte an der Universität Köln. Klagen wegen etwaiger Subventionen zum Beispiel in der Textil- und Schuhindustrie werden mit der Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft aber erschwert. Deshalb gibt es in Brasilien und Argentinien kritische Stimmen, die davor warnen, China zu viele Zugeständnisse zu machen und die fürchten, Lateinamerika könnte künftig von chinesischen Billigprodukten überschwemmt werden.
Das große Engagement Chinas in Lateinamerika, einer Region, die für das Land eine bislang eher untergeordnete Rolle gespielt hat, zeigt laut Scharping aber auch, dass China vermehrt seine "weltwirtschaftliche Verflechtung" akzeptiert. "Es scheint so, als ob die Pekinger Führung eine Grundsatzentscheidung gefällt hat und eine größere Abhängigkeit von Importen in Kauf nimmt", sagt Scharping. Früher habe gegolten, dass maximal fünf Prozent des Getreides aus dem Ausland eingeführt werden durften, heute liege dieser Anteil bereits bei zehn Prozent.