China ordnet Evakuierungen in Tianjin an
15. August 2015Nach der Katastrophe in der nordchinesischen Stadt Tianjin mit inzwischen 85 Toten hat es neue Explosionen gegeben. Aus Angst vor giftigen Gasen riefen die Behörden zur Evakuierung des Gebiets in einem Umkreis von drei Kilometern des Gefahrgutlagers auf. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, wurden die Menschen wegen der Befürchtung, dass sich "toxische Substanzen ausbreiten" könnten, in Sicherheit gebracht.
Zuvor war bekannt geworden, dass sich in dem Lager auch Natriumzyanid befindet. Einem Bericht zufolge wurde die giftige Chemikalie auch in Abwasserproben in der Gegend nachgewiesen. Der Zeitung "Beijing News" zufolge begann die Polizei am Morgen damit, die Menschen in Sicherheit zu bringen. Anwohner musste offiziellen Angaben zufolge eine Schule wieder räumen, in der sie Unterschlupf gefunden hatten. Dies sei nötig geworden, weil der Wind gedreht habe, hieß es. Die Menschen wurden aufgefordert, lange Hosen und Gesichtsmasken zu tragen.
Offenbar schwelte noch Feuer in dem riesigen Trümmergebiet, so dass sich neue Brände entzündeten und Explosionen ereigneten. Reporter hätten sieben oder acht Detonationen gehört, berichtete die Nachrichtenagentur China News Service. Starker Rauch stieg an mehreren Stellen über dem Unglücksgebiet auf.
Gefährliche Bergungsarbeiten
Die Bergungsarbeiten kamen angesichts der anhaltenden Gefahr durch die Chemikalien nur langsam voran. Mehr als 1000 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Ein Team von Militärspezialisten für gefährliche Chemikalien rückte ins Trümmergebiet vor, um nach Überlebenden zu suchen, wie Xinhua berichtete. 50 Meter vom Zentrum der Explosionen entfernt soll Berichten zufolge ein Mann lebend gefunden worden sein. Spezialisten des Militärs hätten den verletzten Mann geborgen, berichtete Xinhua. Als Reaktion auf die Katastrophe ordnete die Regierung landesweit Inspektionen bei Unternehmen an, die mit gefährlichen Chemikalien und Explosivstoffen umgehen.
Auf dem Hafengelände im Binhai Distrikt der Millionenmetropole waren in der Nacht zum Donnerstag tonnenweise Chemikalien explodiert. Dies hatte schwere Zerstörungen angerichtet, in einem kilometerweiten Umkreis gibt es Schäden. Unter den 85 Toten, deren Zahl weiter stieg, sind auch 21 Feuerwehrleute. 13 Retter und eine unbekannte Zahl von Hafenarbeitern wurden noch vermisst. Aufgebrachte Angehörige von vermissten Feuerwehrleuten stürmten eine Pressekonferenz und wurden von Sicherheitskräften zurückgedrängt. Wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, lagen noch 721 Verletzte in Krankenhäusern. Von ihnen seien 58 Schwerverletzte, davon 33 in einem ernsten Zustand.
"Völlig überrascht"
Nie zuvor in der Geschichte der Volksrepublik sind bei einem Unglück so viele Feuerwehrleute ums Leben gekommen wie in Tianjin. "Als die Explosion passierte, waren Feuerwehrleute dabei, den Brand zu löschen, und Nachschub war gerade eingetroffen. Sie wurden völlig überrascht, so dass die Opferzahl hoch ist", schilderte Zhou Tian, Chef der Feuerwehr von Tianjin. Die Feuerwehrleute waren zu dem Einsatz in dem Gefahrgutlager gerufen worden, ohne zu wissen, was dort brannte oder gelagert war. Auch setzten sie Wasser ein, was bei Chemikalien wie dem unter anderem dort gelagerten hochgiftigen Natriumcyanid explosive Reaktionen auslösen kann.
Das Chemikalienlager in Tianjin lag nur 500 bis 600 Meter von großen Wohnsiedlungen entfernt. Das Unglück ist ein schwerer Schlag für das Wirtschaftszentrum Tianjin, das gut eine Stunde von Peking entfernt liegt und ein wichtiger Umschlagplatz ist. Der betroffene Binhai-Distrikt trägt zu 55 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Zehn-Millionen-Metropole bei. Tausende Autos, darunter Volkswagen und Renault, wurden zerstört. Die Wolfsburger verlagerten ihre Neuwagen-Transporte nach dem Unglück nach Shanghai und Guangzhou, wie Xinhua berichtete. 40 Prozent aller importierten Autos kamen über den Hafen von Tianjin nach China.
stu/ml (afp, dpa, rtr)