Chinas Medienkrieg gegen Taiwan
22. Juni 2024Als in Taiwan im Januar die Präsidentschaftswahlen anstanden, befürchteten viele Bewohner des Inselstaates, dass China versuchen könnte, die Stimmabgabe zu beeinflussen. Die Sorge war nicht unbegründet, denn bei vorangegangenen Wahlen gab es solche Vorstöße. China betrachtet das autonome Taiwan als sein Territorium.
Die Regierung in Peking tat so einiges, um prochinesische Gruppen in Taiwan kräftig zu unterstützen, um Wählerinnen und Wähler davon abzubringen, für Pro-Taiwan-Parteien zu stimmen, und um eine Stimmung der Angst in der Öffentlichkeit zu schüren.
"Eine Methode war ökonomischer Druck", erklärte damals Yuchen Li, DW-Korrespondent in Taiwans Hauptstadt Taipeh. "Weil China Taiwans größter Handelspartner ist, stellte Peking die Wahl dar als eine Entscheidung zwischen wirtschaftlichem Wachstum und finanzieller Depression."
Dennoch gewann Lai Ching-te (auch bekannt als William Lai) die Wahlen - der Kandidat der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und lautstarke Befürworter eines souveränen Taiwan. Das ärgerte China, das ihn umgehend vor "separatistischen Aktivitäten" warnte.
Geopolitik trifft Medienmacht
Beispiele wie dieses zeigen, wie vielschichtig der China-Taiwan-Konflikt ist. Darin spielen Medien eine wichtige Rolle. Aber während Pekings militärische Aufrüstung in der Taiwanstraße und im Pazifischen Ozean international aufmerksam beobachtet wird, läuft sein Medienkrieg bisher weitgehend unterhalb des Radars der Weltöffentlichkeit.
"Seit 2018 hat sich die Zahl der ausländischen Medien in Taiwan verdoppelt", berichtete Tzung-Han Tsou, Leiter des DW-Studios in Taipeh, kürzlich beim Global Media Forum (GMF) in Bonn. Denn seine geostrategische Lage macht den Inselstaat zunehmend wichtiger und die globale Aufmerksamkeit für Chinas Drohgebärden gegen Taiwan wächst.
Im aktuellen "World Press Freedom Index" der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Taiwan auf Platz 27 und China an Position 127. "Das zeigt, dass die beiden Nachbarländer sehr unterschiedliche Vorstellungen von Pressefreiheit haben", betont Tzung-Han Tsou. Gleichzeitig werde Taiwan mehr als irgendein anderer Staat der Welt von ausländischen Fake News attackiert - vor allem aus China, so eine Untersuchung des Swedish Center for Democracy and Diversity.
Pressefreiheit schwindet parallel zu politischer Expansion
Dabei spiegelt die chinesische Medienstrategie gegenüber Ländern wie Taiwan die massiven Einschränkungen in Chinas eigener Medienlandschaft. Das sagt DW-Redakteur Mathias Bölinger, der lange Jahre als Korrespondent in China gearbeitet hat. Zwischen 2016 und 2021 habe sich der Spielraum dessen, was ein Journalist in China schreiben dürfe, immer mehr verkleinert und die Behörden hätten zunehmend nervöser reagiert.
Diese Jahre waren eine entscheidende Periode für Peking. In dieser Zeit setzte die chinesische Regierung zum Beispiel in Hongkong zunehmend ihre politischen Vorstellungen durch. Hongkong war bis 1997 britische Kronkolonie, bevor es an China unter dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" zurückgegeben wurde.
2019 protestierten Millionen von Menschen in Hongkong gegen die Regierung in Peking, weil sie die Auslieferung von Verdächtigen nach Festland-China ermöglichen wollte. Die Demonstranten fürchteten, das könne die Autonomie Hongkongs unterminieren und zivilgesellschaftliche Aktivisten in Gefahr bringen.
2020 folgten dann Pekings Versuche, die ersten COVID-Fälle unter der Decke zu halten, und sein harsches Vorgehen gegen Journalisten, die darüber berichteten.
Es lässt sich festhalten, dass Chinas regionale Hegemoniebestrebungen zusammenfallen mit verstärkten Versuchen, die Presse- und Meinungsfreiheit zu unterdrücken - sowohl im Inland als auch in Gebieten, die China als seine beansprucht.
Gegensteuern ist zwingend nötig
Die regierende Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat in den vergangenen Jahren vor allem Social-Media-Plattformen wie TikTok für ihren Medienkrieg gegen Taiwan eingesetzt, sagt Sherry Hsueh-Li Lee von der gemeinnützigen The Reporter Cultural Foundation in Taiwan. Dabei setze die KPCh auch auf Pro-Peking-Gruppen und chinesische Bürger in Taiwan, um über die Insel "Fake News auszukippen".
Die vergangenen Jahre seien sehr herausfordernd gewesen für Journalistinnen und Journalisten, so Sherry Lee. "Nach dem brutalen Durchgreifen in Hongkong sind viele Medienschaffende einfach verschwunden - oder sie landeten im Gefängnis. In Taiwan versucht China gezielt, Journalisten vom Berichten abzuhalten."
Und dann ist da noch die Künstliche Intelligenz. "Ich habe auf Facebook ein Video über eine ehemalige taiwanesische Präsidentin gesehen, ein Deep-Fake, in dem sie über Bitcoins spricht. Vollkommen absurd", erzählt DW-Studioleiter Tzung-Han Tsou aus Taipeh. "Und es existiert ja immer mehr KI-generiertes Material in den sozialen Netzwerken. Das kann Unterhaltung sein oder unpolitische Nachrichten - aber man gewöhnt sich dran, und nach und nach erscheint es ganz natürlich. Und dann wird die KI für politische Zwecke eingesetzt."
Chinas Medienkrieg ist hybrid und hat viele Gesichter, betont Billion Lee von der Crowdsourcing Organisation Cofacts. Peking versucht ebenso, taiwanesische Politiker zu diskreditieren, wie es den Westen in einem negativen Licht darstellt. Darum seien Faktenchecks so wichtig - um der chinesischen Propaganda etwas entgegenzusetzen.
Experten befürchten, dass Chinas Medienkrieg in den kommenden Jahren parallel zu seiner militärischen Aggression eskalieren könnte. Darum sei es unerlässlich, sich beiden Herausforderungen gleichzeitig zu stellen.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.