Chinas Ministerpräsident auf US-Reise
9. Dezember 2003Wen Jiabao kommt an einem historischen Datum in die USA: Sein Besuch am Sonntag (7.12. bis 11.12.2003) fällt mit dem 25. Jahrestag der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China zusammen. Wen Jiabao ist seit der Ernennung der neuen chinesischen Führung im März 2003 der hochrangigste chinesische Besucher in den USA. Für Wen persönlich ist es die erste USA-Reise überhaupt.
Ziele des Besuchs
Richard Bush, Ostasien-Experte vom Brookings-Institut in New York, erläutert die Ziele des Besuchs: "Erstens möchte China die Serie hochrangiger Kontakte fortsetzen. Zweitens bietet der Besuch beiden Seiten die Möglichkeit, persönlichen Kontakt aufzunehmen. Drittens möchte China eine Zusage des amerikanischen Festhaltens an seiner Ein-China-Politik erhalten. Viertens kann man Signale über das Thema Nordkorea austauschen und die Positionen abgleichen."
Viel Konfliktstoff zwischen Taiwan und China
Erst zwei Tage vor Wen Jiabaos Reise in die USA hatte der taiwanische Präsident Chen Shui-bian neues Öl in das Feuer der Auseinandersetzung zwischen Peking und Taipei gegossen. In einem Referendum möchte er die Taiwanesen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen am 20. März 2004 abstimmen lassen, ob China aufgefordert werden soll, seine auf Taiwan gerichteten Raketen abzubauen. Entsprechend hat Wen Jiabao direkt nach seiner Ankunft in New York am Sonntagabend Taiwan erneut vor weiterem Streben nach Unabhängigkeit von China gewarnt.
Er könne das Streben der taiwanesischen Bevölkerung nach Demokratie verstehen, so der Ministerpräsident. Das Problem sei jedoch, dass separatistische Kräfte in der taiwanesischen Regierung die Demokratie nur als Mittel zur Lösung von China nutzen. "Das werden wir nie tolerieren", sagte er ausdrücklich. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Ungeachtet des Führungswechsels und der Öffnung Chinas gehört das Festhalten an der Einheit Chinas unter Einschluss Taiwans zum Kernbestand der Ideologie der kommunistischen Regierung.
Nur kein Streit mit China
In Washington reagiert man besorgt auf die derzeitige Zuspitzung der Krise: Schließlich sind die USA im Kriegsfall laut Gesetz zur Unterstützung Taiwans verpflichtet. Konsequenterweise hat Präsident George W. Bush beide Seiten zur Mäßigung aufgefordert. Zumal sich Washington zurzeit einen Streit mit China nicht leisten kann, denn die Amerikaner brauchen die Unterstützung Chinas sowohl im Irak als auch in der Nordkorea-Frage.
Handelstreit zwischen USA und China
Neben Taiwan wird der Streit über chinesische Billigimporte in die USA ein weiteres Thema sein. China dürfte im Außenhandel mit den USA in diesem Jahr einen Überschuss von über 120 Milliarden Dollar erzielen. Auf Druck des Kongresses hatte Washington kürzlich Strafzölle auf Textilien und Fernsehgeräte aus der Volksrepublik verhängt. China hat prompt dagegen protestiert mit dem Argument, 65 Prozent der chinesischen Exporte würden von ausländischen Unternehmen oder in Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen Joint Venture produziert. Überdies stammten 90 Prozent der Exporte aus arbeitsintensiver Produktion, die in den USA ohnehin aufgegeben worden sei.
Die USA wollen zudem die Wechselkursfrage ansprechen. Sie werfen China vor, sich über die feste Anbindung des Yuan an den US-Dollar im Handel Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Nach Ansicht von Richard Bush vom Brookings-Institut muss China sich stärker bewegen, um den Handelsstreit beizulegen: "Zwei Dinge kann China tun. Erstens: China muss alle Verpflichtungen als Mitglied der Welthandelsorganisation erfüllen. Obwohl das Land in dieser Hinsicht bereits Fortschritt gemacht hat, sind auf vielen Gebieten noch Verbesserungen notwendig - insbesondere bei der Umsetzung. Zweitens muss China den Yuan aufwerten. Das ist auch im eigenen Interesse. Ein zu niedrig bewerteter Yuan führt zu einer Vermehrung der Geldmenge. Das wiederum fördert die Inflation. Darunter leidet dann auch die chinesische Wirtschaft."