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GesellschaftAsien

Chinas Parteispitze von #MeToo erwischt

William Yang
4. November 2021

Die Enthüllung des Tennisstars Peng Shuai über erzwungenen Sex mit einem hohen Parteifunktionär ist ein Novum in der chinesischen MeToo-Bewegung.

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Symbolbild #MeToo
Bild: picture alliance/dpa/B. Pedersen

Der Vorwurf der Vergewaltigung, den der chinesische Tennis-Star Peng Shuai auf dem chinesischen Chat-Dienst Weibo erhob, dürfte in der Parteiführung wie eine Bombe eingeschlagen haben. Die rasch ergriffenen Internet-Zensurmaßnahmen lassen das vermuten. So wurden Suchanfragen nach Pengs Weibo-Account gesperrt und Nutzerkommentare gelöscht.

Peng ist die bekannteste Tennisspielerin Chinas. Sie gewann 2013 in Wimbledon mit ihrer taiwanischen Partnerin Hiseh Su-wei das Damendoppel-Finale und wiederholte diesen Sieg bei den French Open im Jahr darauf.

Australian Open Tennis | Peng Shuai
Peng Shuai bei der Australian Open 2020Bild: Andy Brownbill/AP Photo/picture alliance

Der Beschuldigte ist kein Geringerer als Zhang Gaoli, von 2013 bis 2018 Vizepremier und von 2012 bis 2017 Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros. Er war unter anderem für das Drei-Schluchten-Projekt am Jangtse und andere Mega-Infrastrukturprojekte zuständig.

"Explosive Enthüllung"

Die bisherigen prominent bekanntgewordenen Fälle von sexueller Gewalt gegen Frauen in China betrafen den Medien- und Geschäftsbereich. Dies ist der erste Fall der Bezichtigung eines (ehemaligen) hochrangigen Parteifunktionärs. Während über jene Fälle, die Beschuldigten waren ein Alibaba-Manager und der chinesisch-kanadische Popstar Kris Wu, in den staatlichen Medien und online breit kommentiert wurde, herrscht beim Fall Zhang Gaoli bislang offizielles Schweigen. Die "Washington Post" zitiert Leta Hong Fincher, Autorin eines Buches über den Feminismus in China mit dem Titel "Betraying Big Brother", mit den Worten: "Das ist eine explosive Sache und zeigt, warum die feministische Bewegung in China von der Partei als Bedrohung gesehen wird."

China Kommunistische Partei Kandidat zum Politbüro Zhang Gaoli
Zhang Gaoli 2012 kurz vor seiner Aufnahme in den Ständigen Ausschuss des Politbüros Bild: dapd

Trotz der Löschungen kursierte im chinesischen Internet weiterhin ein Screenshot des Posts von Peng. Demnach hat sie vor zehn Jahren den damals 64 Jahre alten Zhang in der Hafenstadt Tianjin, deren Parteisekretär Zhang war, kennengelernt und ist eine sexuelle Beziehung mit ihm eingegangen. Peng trainierte damals seit vielen Jahren in einem dortigen Tennisklub. Zhang brach nach seiner Aufnahme ins Politbüro 2012 und dem Umzug nach Peking den Kontakt zu Peng ab. 2018 jedoch meldete er sich wieder bei seiner ehemaligen Freundin und lud sie nach Peking "zum Tennisspielen" ein. Zhang war schon im politischen Ruhestand. Peng wurde in seinem Auftrag von einer dritten Person kontaktiert. 

"Ich hatte nur geweint"

Nach dem Spiel, so laut dem Screenshot, fuhr sie mit Zhang und dessen Ehefrau Kang Jie in ihre Wohnung. "Zhang wollte Sex mit mir. Ich hatte große Angst an jenem Nachmittag. Seine Frau war dabei und anscheinend mit dem Seitensprung einverstanden. Ich war nicht einverstanden und hatte nur geweint. Auch nach dem Abendessen mit Zhang und seiner Frau war ich nicht einverstanden." Peng fügt hinzu: "Ich besitze keinen Beweis. So einen Beweis wird es auch nicht geben - keinen Mitschnitt, kein Video, nur mich."

Weibo Screenshot | MeToo-Debatte: Sexskandal des Politbüro-Mitglieds Zhang Gaoli,
Screenshot von Pengs Anklage auf Weibo Bild: Weibo

Die inzwischen 35-Jährige wollte nach eigenen Worten vergangene Woche mit dem pensionierten Politiker über ihre Beziehung sprechen: "Das Treffen am 2. November war ausgemacht worden. Am Mittag rief er dann an und sagte ab. Wollte er noch einmal aus meinem Leben verschwinden?" Peng spricht in ihrem Post von Liebe zu Zhang. Sie war allerdings frustriert, denn "Männer in seiner Position werden sich nicht scheiden lassen". Sie beteuert: "Unsere Beziehung hatte mit Geld und Macht nichts zu tun."

"Wichtiges Signal für andere Betroffene"

"Sexuelle Belästigung im chinesischen Machtapparat dürfte zwar üblich sein, aber die Opfer bevorzugen es bislang, anonym zu bleiben", sagt Wang Yaqiu, China-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, gegenüber der DW. Pengs Erfahrung könnten viele Frauen in China nachempfinden, sagt auch die seit 2015 in den USA lebende chinesische Frauenrechtsaktivistin Lü Pin. "Die Tatsache, dass Peng es gewagt hat, Zhang Gaoli zu beschuldigen, zeigt, dass sie den Angriff von vor drei Jahren für gravierend hält, der nicht unter den Teppich gekehrt werden darf. Das ist die wichtigste Botschaft an andere Betroffene", sagt Lü Pin gegenüber der DW.

Frauenrechts-Aktivistin Zheng Churan
Zheng Zhuran, eine von fünf Aktivistinnen, die 2015 kurz vor dem Internationalen Frauentag in Peking wegen "öffentlicher Ruhestörung" festgenommen wurden.Bild: Handout via Reuters

Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: "Im Netz spekulierten die Nutzer, ob der Zeitpunkt des Posts auf einen Machtkampf in der Partei hindeute. Möglicherweise habe jemand, der Zhang schaden wolle, Peng dazu gebracht, mit ihren Anschuldigungen jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen." Lü Ping meint dazu laut NZZ, die Konsequenzen für Zhang, dessen politische Karriere vorbei ist, seien schwer abzuschätzen. Peng hingegen habe sich zur Zielscheibe gemacht. Für die #MeToo-Bewegung sei ihr Zeugnis enorm wichtig, es ermutige noch mehr Betroffene, mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch die Frauenrechtsbewegung in China müsse nun noch stärkere staatliche Repression befürchten.