Chinas Parteiführung weitgehend frauenfrei
1. Juli 2021Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen spielte in der Anfangszeit der Kommunistischen Partei Chinas eine große Rolle. Eine der ersten sozialpolitischen Maßnahmen des neuen China unter KP-Herrschaft war das neue moderne Ehegesetz von 1950, das zum Beispiel Zwangsehen abschaffte und den Frauen Scheidungsrecht gewährte. (In der Praxis bleib es allerdings für Frauen über Jahrzehnte schwer, eine Scheidung durchzusetzen.)
In der Mao-Ära hatte die Gleichberechtigung von Männern und Frauen eine hohe symbolische Bedeutung. "Die Frauen tragen die Hälfte des Himmels" ist eines der bekanntesten Mao-Zitate. Bei Volkskongressen und Parteitagen waren meistens rund ein Viertel der Delegierten weiblich, was damals fortschrittlich war. Allerdings hat sich diese Quote bis heute in etwa gehalten, was im internationalen Vergleich schon weniger fortschrittlich aussieht. Bei der Parteimitgliedschaft ist das Bild mit rund 28 Prozent ähnlich.
"Exklusiver Männerclub"
"Trotz Versprechungen, die 'Ausbildung und Förderung von weiblichen Parteikadern zu verstärken' und eine Frauenquote in Führungspositionen einzuführen, bleibt die KPCh eine eindeutig männlich dominierte Partei und die chinesische Elite ein exklusives Netzwerk alter Kameraden", schreibt Valarie Tan in einem Beitrag für das Berliner China-Institut Merics. Weniger als neun Prozent der Parteisekretäre und Regierungschefs auf Lokalebene sind laut dem Expertenportal "Chinafiles" Frauen, von den 31 Gouverneursposten auf Provinzebene sind zwei von Frauen besetzt, nur eine Frau besetzt derzeit den weit wichtigeren Posten des Provinzparteisekretärs. Dieser Posten gilt als entscheidendes Sprungbrett zu einer Mitgliedschaft im Politbüro, dem zentralen Machtorgan der KP Chinas, mit dem Ständigen Ausschuss an der Spitze.
Sechs Frauen im Politbüro - seit 1969
Dieser hatte früher fünf bzw. neun und hat heute sieben Mitglieder, bis heute ausschließlich Männer. Im 25 Mitglieder starken Politbüro der KPCh sitzt heute eine Frau: Die 71-jährige Sun Chunlan. Sie war vergangenes Jahr in Wuhan das Gesicht der Partei bei der Koordinierung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Sun ist damit eine von insgesamt sechs Frauen, die seit der Gründung des Politbüros der KPCh im Jahr 1927 einen Platz im Zentrum der Macht errungen bzw. zugeteilt bekommen haben. Weitere zwei Frauen waren sogenannte Kandidaten, also nicht stimmberechtigte Mitglieder.
Die ersten Frauen im Politbüro der KPCh waren Jiang Qing, die vierte Frau von Mao Zedong, und Ye Qun, die Frau des Stellvertreters und Rivalen Maos, Lin Biao. Die beiden Frauen wurden 1969 auf dem 9. Parteikongress zu Mitgliedern gewählt. Zwei Jahre später kam Ye Qun mit ihrem Mann und Sohn bei einem Flugzeugabsturz in der Mongolei ums Leben. Nach offizieller Darstellung war ein von Lin Biao geplanter Staatsstreich aufgedeckt worden, weshalb er mit seiner Familie in die Sowjetunion fliehen wollte.
Tiefer Fall
Jiang Qing war die einflussreichste Frau in Chinas moderner Geschichte, und die meistgehasste. Sie trieb in der von Mao angezettelten Kulturrevolution (1966-1976) die Verfolgung "rückschrittlicher" Künstler und Intellektueller gnadenlos voran. Nach Maos Tod versuchte Jiang Qing als Kopf der sogenannten radikalen "Viererbande" vergeblich, die Kulturrevolution fortzuführen. Sie wurde zur "bösen Frau" stilisiert, die den zunehmend kranken und isolierten Mao manipuliert habe und so auch für dessen "Fehler" verantwortlich gemacht werden konnte. 1976, nur einen Monat nach Maos Tod, wurde Jiang Qing verhaftet und 1981 zur Todesstrafe auf Bewährung verurteilt. Laut offiziellen Angaben beging sie 1991 Selbstmord.
Schatten der Kulturrevolution
Noch während der Kulturrevolution, 1973, wurde die frühere Textilarbeiterin Wu Guixian zur Kandidatin des Politbüros gewählt. Zwei Jahre später wurde sie im Alter von 37 Jahren zur ersten und bislang jüngsten Vize-Ministerpräsidentin der Volksrepublik China ernannt. Sie trat nach offiziellen Angaben 1977 freiwillig zurück, um in leitender Funktion zur staatlichen Baumwollspinnerei Nordwestchina zurückzukehren. Anderen Quellen zufolge wurde Wu Guixian beschuldigt, sich während der Kulturrevolution den Radikalen angeschlossen und deswegen ihren Posten im Staatsrat eingebüßt zu haben. Wu Guixian gilt als Paradebeispiel dafür, dass eine einfache Arbeiterin in der Mao-Ära ihren Weg in die obersten Führungsgremien von Staat und Partei fand. Heute allerdings hat die Hälfte der Parteimitglieder einen Hochschulabschluss, mit steigender Tendenz, während der Anteil der Arbeiter und Bauern stetig abnimmt.
Veteraninnen
Chen Muhua und Deng Yingchao waren die nächsten weiblichen Politbüromitglieder, zwei Veteraninnen der Partei aus der Zeit des Krieges mit Japan. Chen Muhua wurde in der Kulturrevolution als "Kapitalistin" gebrandmarkt und verfolgt. 1977 und 1982 wurde sie zur Kandidatin des Politbüros gewählt und 1978 Vize-Ministerpräsidentin. In späteren Jahren fungierte sie als Präsidentin der chinesischen Notenbank und mehrmals als Präsidentin der Allchinesischen Frauenvereinigung.
Deng Yingchao, die Witwe von Zhou Enlai, des ersten Ministerpräsidenten Chinas, wurde 1978 und 1982 zum Mitglied des Politbüros gewählt. Sie galt als eine der "Acht Ältesten der Kommunistischen Partei Chinas" in der Ära von Deng Xiaoping und diente mehrmals als Vizepräsidentin der Allchinesischen Frauenvereinigung.
Internationaler Auftritt
1997, zehn Jahre nachdem Chen Muhua das Politbüro verlassen hatte, wurde die ehemalige Ingenieurin Wu Yi zur Kandidatin des Politbüros gewählt. Sie erwarb sich im In- und Ausland Anerkennung, nachdem sie 1992 als Vizeministerin für Außenhandel an den erfolgreichen Verhandlungen über den WTO-Beitritt Chinas beteiligt war. Ihrem Ruf als harte Unterhändlerin verdankte sie den Spitznamen der "eisernen Lady" Chinas. Von 2002 bis 2007 war sie Mitglied des Politbüros, 2003 wurde sie Vize-Ministerpräsidentin. Während der Sars-Epidemie 2003 trat Wu Yi an die Stelle des entlassenen Gesundheitsministers Zhang Wenkang. Sie wurde vom "Forbes Magazine" in den Jahren 2004, 2005 und 2007 zur zweit- und 2006 zur drittmächtigsten Frau der Welt gewählt.
Mindestens eine Frau soll dabei sein
Seit Wu Yi war in dem 25-köpfigen Politbüro immer mindestens eine Frau vertreten. Liu Yandong, eine Absolventin der Tsinghua-Universität, war von 2007 bis 2017 Mitglied und ab 2013 Vizeministerpräsidentin. Sun Chunlan wurde nach der Absolvierung diverser Parteiposten 2012 zum Mitglied des Politbüros gewählt. Seit Ende 2014 leitet Sun die sogenannte Abteilung für Einheitsfrontarbeit, die dafür sorgt, dass die Partei auch im Ausland offen und verdeckt Einfluss ausübt. 2017 wurde Sun Chunlan zum zweiten Mal zum Mitglied des Politbüros gewählt und ist seit März 2018 Vize-Ministerpräsidentin mit Zuständigkeit für Kinder, Frauen, Bildung, Gesundheit, Veteranen, Sport.
In der zweiten Jahreshälfte 2022 werden beim 20. Parteitag neue Mitglieder des Politbüros der KPCh gewählt. Shen Yiqin, derzeit Gouverneurin der Provinz Guizhou, gilt als Favoritin. Sun Chunlan wird aus Altersgründen nicht wieder kandidieren, und es ist davon auszugehen, dass mindestens eine Frau im Politbüro vertreten sein wird.
Welches Frauenbild?
Vor dem Hintergrund der neulich eingeführten Drei-Kind-Politik wird es spannend zu sehen sein, ob und welche Fördermaßnahmen die Parteiführung ergreifen wird, um Frauen die Verbindung von Beruf und Familie zu erleichtern. Bislang setzt sie unter Führung von Xi Jinping auf die Stärkung traditioneller Rollenbilder, wie Valarie Tan feststellt: Zwar spreche sich Präsident Xi Jinping in seinen Reden für Geschlechtergerechtigkeit aus, fördere aber gleichzeitig traditionelle Familienwerte wie "die tugendhafte Ehefrau und Mutter als wichtige Grundlage des Fortschritts und sozialistischen Systems Chinas."