Bürgerrechtsanwalt wegen Subversion angeklagt
29. Januar 2018Auslöser für die neuen Vorwürfe könnte ein offener Brief im Internet gewesen sein, in dem Yu Wensheng (Artikelfoto) von der Kommunistischen Partei erneut verlangte, das Staatsoberhaupt durch freie Wahlen zu bestimmen. Sein Anwalt Huang Hanzhong wusste nur zu berichten, dass die Anklage auf "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" lautet und von der Polizei in der Xuzhou in der ostchineschen Provinz Jiangsu erhoben wurde. Der Deutschen Presse-Agentur berichtete er, die Familie sei von der neuen Anklage unterrichtet worden.
Ursprünglich lag von der Pekinger Polizei eine Anzeige vor, in der lediglich von "Störung öffentlicher Dienste" die Rede gewesen war. Anstiftung zur "Subversion" ist ein häufig gebrauchter, ungenauer Vorwurf gegen Dissidenten, um sie mundtot zumachen. Dem 50-Jährigen Yu könnte jetzt sogar eine mehrjährige Haftstrafe drohen.
Kampagne gegen regimekritische Anwälte und Aktivisten
Der kritische Pekinger Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitglieder. Vor zehn Tagen hatte seine Ehefrau der Deutschen Welle (DW) berichtet, ihr Mann sei von einem Sonderkommando festgenommen worden, als er seinen Sohn zur Schule bringen wollte. Sie selbst war ebenfalls kurzfristig arrestiert worden, die Polizei durchsuchte Haus und Anwaltskanzlei und beschlagnahmte Computer.
Aufenthaltsort weiter unbekannt
Auch die Frau des renommierten Bürgerrechtsanwalts vermutet, dass die Festnahmen mit den Forderungen nach einer Reform der Verfassung und demokratischen Wahlen zusammenhängen. Der Fall Yus wurde an die Behörden im entfernten Xuzhou verwiesen. Der Jurist muss, so die amtliche Mitteilung, unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort" bleiben. Patrick Poon von Amnesty International in Hongkong sagte, es bestehe große Gefahr, dass Yu misshandelt oder gar gefoltert werde.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kennt den Angeklagten von einem Besuch im April 2016 in Peking. Als Außenminister war er damals mit Yu Wensheng und anderen Anwälten, Angehörigen inhaftierter Juristen sowie Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengekommen, um sich ein besseres Bild von der Menschenrechtslage in China machen zu können.
Verfassungsmäßige Rechte?
"Wir denken, es ist das verfassungsmäßige Recht eines Anwalts und Bürgers, die Freiheit der Meinungsäußerung auszuüben, angemessene Vorschläge zu machen und die Staatsorgane zu beaufsichtigen, was kein Verbrechen ist", sagte Yus Rechtsvertreter Huang. Selbst wenn es scharfe Rhetorik sei, gehöre es zur freien Meinungsäußerung. Selbst Staats- und Parteichef Xi Jinping habe gesagt, die Partei müsse scharfe Kritik tolerieren können, argumentierte Yus Verteidiger.
SC/uh (APE, afpe, dpa)