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Chávez bemüht sich um Allianz der Außenseiter

27. Juli 2006

Erst suchte der venezolanische Präsident Chávez die Nähe zu Weißrusslands Diktator, dann ging er auf Waffenkauf in Russland. Ein Besuch im Iran soll folgen. Der Lateinamerika-Experte Wolfgang Muno zu den Hintergründen.

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Hugo Chávez in RusslandBild: AP

DW-WORLD.DE: Der venezolanische Präsident Hugo Chávez ist am Donnerstag in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengetroffen. Beide sprachen über eine stärkere Zusammenarbeit im Rüstungsbereich und beim Öl. Chávez will 30 Kampfjets vom Typ Su-30 sowie 30 Hubschrauber in Russland kaufen, der Wert des Geschäfts liegt bei fast einer Milliarde US-Dollar. Welche militärischen Pläne hat Chávez?

Wolfgang Muno: Chávez hat keine offensiven militärischen Pläne. Dieses Geschäft ist Teil seiner antiamerikanischen Rhetorik, die er in den letzten Jahren gepflegt hat. Er hat den USA wiederholt vorgeworfen, sie würden Angriffspläne gegen Venezuela hegen. Das ist meines Erachtesn absurd und eine Invasion wird wohl auch nie stattfinden. Aber um in der heimischen Bevölkerung etwas die Angst vor solch einer Invasion zu schüren, kauft er jetzt eben Waffen in Russland. Es geht sicher auch darum, die Armee neu auszustatten. Das ist ein Nebeneffekt. Das Militär ist eine seiner wichtigen Unterstützer-Gruppen.

Wie viel militärische Macht hat Venezuela?

Die venezolanische Armee ist klein, war aber immer im Vergleich mit anderen lateinamerikanischen Ländern eine der am besten ausgerüsteten Armeen. Sie war aber in den letzten 100 Jahren nie in einen Krieg verwickelt. Sie wurde eher intern eingesetzt, beispielsweise zur Bekämpfung der Guerilla. Man rüstete die Armee immer gut aus, um sie so als politischen Akteur auszuschalten. Die Militärs waren so zufrieden gestellt und haben sich damit auch zurückgehalten.

Chávez hat von Russland schon Kalaschnikows gekauft und will in seinem Land eine eigene Fabrik zum lizenzierten Nachbau des russischen Sturmgewehrs bauen. Was will Chávez denn mit all den Gewehren?

Da kann man nur spekulieren. Seit Jahren spricht er davon, eine Art Bürgermiliz aufzubauen. Er will die "bolivarischen" Zirkel, die auf lokaler Ebene entstanden sind und ihn unterstützen, bewaffnen, um einen eventuellen zweiten Putsch (2002 scheiterte ein Putschversuch, d. Red.) im Keim zu ersticken. Wobei das Militär solch eine Maßnahme sicher nicht begrüßen würde. Da muss man abwarten, was er tatsächlich umsetzt.

Noch einmal zurück zum Moskau-Besuch. Venezuela und Russland: Ist das eine Allianz für die Zukunft?

Nein, ich denke Russlands Zukunft liegt im Westen, da liegt der Absatzmarkt für die Rohstoffe. Venezuela ist schlicht ein Kunde, der allerdings sehr solvent ist. Chávez schwimmt aufgrund des hohen Ölpreises im Geld. Das Geld benutzt er außenpolitisch. Vor kurzem ist Venezuela Mitglied des Mercosur geworden. Da hat sich das Land quasi eingekauft. Er investiert in Argentinien, in Uruguay, in Bolivien.

Chávez hat vor einigen Tagen Weißrussland besucht und mit dem Diktator Lukaschenko eine "strategische Allianz" geschmiedet, außerdem will er auch in den Iran reisen, ursprünglich stand auch Nordkorea auf der Liste. Dient das alles nur der Provokation der USA?

Chávez versucht eine Art weltweite Allianz von Outsider-Staaten gegen die USA zu schmieden. Als Saddam Hussein noch an der Macht war, pflegte er gute Beziehungen zum Irak. Jetzt sucht er die Nähe zu Leuten wie dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko, um sein antiamerikanisches Image zu pflegen. Dieses Image braucht er auch, um in Lateinamerika weiterhin als linke Galionsfigur zu gelten. Chávez versucht ja jetzt das zu sein, was Fidel Castro einmal in den 1960er Jahren war.

Stecken hinter dieser "Allianz der Outsider" auch Interessen, sich mehr Gewicht auf der internationalen Bühne, sprich in der UNO, zu verschaffen?

Ich denke, es ist in erster Linie eine Provokation. Vielleicht hat er ja das Bestreben, sich ein paar Bündnispartner zu suchen. Mit Argentinien, Bolivien und Kuba hat er schon gute Verbündete. Vielleicht sucht er sich andere irgendwo in der Welt. Aber ein großes Gewicht in der Uno zu werden, davon ist er weit entfernt. Dafür ist er zu isoliert. Das Pfund mit dem er wuchert sind die Erdöleinnahmen. Damit kauft er sich Freunde. Kuba kauft er mit vergünstigten Erdöllieferungen, dafür liefert Kuba Lehrer und Ärzte nach Venezuela. Wenn der Erdölpreis sinkt, verliert er seine Freunde.

Chávez polarisiert: Unter den Linken genießt er durchaus Sympathien, andere wiederum verteufeln ihn als Linkspopulisten mit diktatorischen Zügen. Wo ordnen Sie ihn ein?

Er ist zweifelsohne ein Linkspopulist, auch mit diktatorischen Zügen. Man muss ihn aber vor dem Hintergrund der venezolanischen Entwicklung beurteilen, einem Land in dem die Bevölkerung über Jahrzehnte von der Elite ausgenutzt und betrogen worden ist.

Ist der Betrug mit Chávez am Ende - hat er wirkliche Erfolge aufzuweisen im Land?

Wenn man sich die reinen Fakten ansieht, ist nicht viel passiert. Die Bevölkerung ist weiterhin verarmt, den Öleinnahmen nutzt er für einzelne Prestigeprojekte, wie das Alphabetisierungsprojekt. Das kann zwar irgendwann mal Früchte für bestimmte Gruppen tragen, aber eine gezielte Entwicklungsstrategie steckt nicht dahinter. Er setzt die Erdölgelder gezielt dafür ein, um seine Popularität am laufen zu halten, um sich im Licht einzelner Projekte zu sonnen.

Wolfgang Muno lehrt und forscht am Institut für Politikwissenschaften der Universität Mainz.