CIA-Flüge überschatten Rice-Besuch
5. Dezember 2005Wenn Condoleezza Rice am Montagabend nach Deutschland kommt, interessiert das auch die Staatsanwaltschaft Zweibrücken. Denn diese untersucht die geheimen CIA-Gefangenentransporte und Informationen von höchster politischer Ebene könnten ihr dabei ungemein helfen. Noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen unbekannt. Gemeint sein könnten damit CIA-Agenten, die möglicherweise einen radikalen Imam in Mailand entführt haben, um ihn über den Nato-Stützpunkt Ramstein nach Ägypten zu bringen.
"In dem Moment, wenn in Ramstein das Flugzeug verlassen wird und auf deutschem Boden Entführte festgehalten wurden, kann auch auf deutschem Boden eine Straftat begangen worden sein, unter anderem könnte das Nötigung und Freiheitsberaubung gewesen sein", sagt der Zweibrücker Staatsanwalt Eberhard Bayer. Die bisherigen Ermittlungen der Mailänder Staatsanwaltschaft deuten laut Medienberichten darauf hin. Problematisch könnten die Geheimflüge besonders auch deshalb gewesen sein, weil einige Gefangene angeblich zu Geheimgefängnissen gebracht worden sein sollen.
Falls es bei den Geheimflügen Entführungen gegeben haben sollte, würde das deutsche Strafrecht auch für CIA-Mitarbeiter gelten, sagte Staatsanwalt Eberhard Bayer. Sie würden dann die wie Zivilisten behandelt. Generell seien die deutschen Behörden zuständig, wenn in einem Flugzeug in oder über Deutschland gegen das Strafrecht verstoßen werde. Dies gelte für alle Flugzeuge, die keine offizielle Flagge tragen dürften. Im konkreten Fall muss die Staatsanwaltschaft Zweibrücken allerdings zunächst klären, wer überhaupt in dem Flugzeug saß.
Dabei könnte die ausführliche Aufklärung helfen, die die USA versprochen haben. Bislang hat Rice die angebliche Praxis der Gefangenentransporte durch CIA-Flugzeuge über andere Staaten weder dementiert noch bestätigt. Unmittelbar vor ihrer Europareise wies sie jedoch Kritik an der US-Terrorismuspolitik zurück. "Wir können nicht Informationen diskutieren, die den Erfolg von Geheimdienstarbeit, Strafverfolgung, Militäreinsätzen gefährden würden", sage Rice am Montag vor ihrem Abflug auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews im US-Staat Maryland. Die vom US-Geheimdienst CIA gesammelten Informationen hätten außerdem auch europäische Menschenleben gerettet, sagte sie.
Menschenrechtler: EU muss an Rechtsstaat erinnern
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht allerdings davon aus, dass es solche Geheimtransporte gegeben hat, auch zu Gefängnissen, in denen gefoltert wurde. "Die Bundesregierung und auch die Europäische Union müssen Condoleezza Rice bei ihrem Besuch darauf ansprechen. Sie müssen ihr klar machen, dass die Wahrung der Menschenrechte für die EU eine sehr ernstzunehmende Sache ist", sagte Marianne Heuwagen vom deutschen Büro von Human Rights Watch. Sie wolle auf keinen Fall Terroristen das Wort reden. Es müsse aber klar sein, dass Menschenrechte für alle gelten.
"Wer Terror bekämpfen will, kann auch das Ziel nur mit rechtsstaatlichen Mitteln erreichen”, betonte Heuwagen. Problematisch sei beispielsweise, dass die USA 26 Menschen außerhalb der Vereinigten Staaten festhalten ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Rechtsanspruch. Diese "Geistergefangenen" müssten vor Gericht gestellt werden, forderte die Direktorin des deutschen Büros von Human Rights Watch. Heuwagen vermutet solche Geheimgefängnisse auch in Osteuropa. "Wenn die osteuropäischen Staaten so großen Wert darauf legen, die Vorzüge der Europäischen Union zu genießen, dann sollten sie auch ganz besonders daran denken, dass die Europäische Menschenrechtscharta in dieser Gemeinschaft geachtet wird." Polen und Rumänien haben bereits betont, keine Geheimgefängnisse der USA geduldet zu haben.
Mehr als 400 geheime Flüge über Deutschland
US-Geheimdienste haben laut Medienberichten in mindestens 437 Fällen deutschen Luftraum und deutsche Flughäfen für geheime Flüge benutzt. "Der Spiegel" meldete, die Deutsche Flugsicherung habe der Bundesregierung eine entsprechende detaillierte Liste vorgelegt. In Deutschland drängt sich nun mehr und mehr die Frage auf, wieviel die deutschen Behörden von den Geheimflügen wussten. Am Wochenende geriet der frühere Bundesinnenminister Otto Schily unter Druck. Laut "Washington Post" haben die USA ihn im Mai 2004 über die heimliche Verschleppung eines Deutschen durch den Geheimdienst CIA informiert. Der damalige US-Botschafter Daniel Coats habe Schily aufgesucht, da die Angelegenheit zu heikel für normale diplomatische Kanäle gewesen sei, meldete die Zeitung unter Berufung "auf mehrere Personen mit Kenntnis von dem Gespräch".
Die Grünen forderten Aufklärung. "Schily soll sagen, was er über die Entführungen durch die CIA wusste und wen er in der Bundesregierung über seine Informationen unterrichtet hat", forderte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. Die Affäre um die Geheimflüge zieht immer weitere Kreise: Nicht nur Staatsanwälte, sondern vor allem auch Politiker dürften mit diesen Verdachtsmomenten noch eine Weile beschäftigt sein.